1. November: Ökodorf-Overshootday

Der 1. November ist ein Grund zum Feiern und gleichzeitig ein Grund innezuhalten und zu reflektieren: Sieben Linden liegt im globalen Vergleich recht spät im Jahr mit dem „Overshootday“. Overshootdays markieren den Zeitpunkt, an denen ein Land, eine Organisation oder eine Gruppe die natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, welche die Erde innerhalb eines Jahres anteilig zur Verfügung stellen kann. Ausgangspunkt ist die Sichtweise, dass jedem Menschen die gleichen Ressourcen zustehen. Diese Position teilen wir in Sieben Linden und so liegt unser Engagement seit 26 darauf, einen möglichst kleinen ökologischen Fußandruck zu erzielen, d.h. ein möglichst spät im Jahr liegendes Overshootday-Datum. Wie gelingt uns das und was gibt es noch zu tun?

Blick über den Tellerrand: Ökodorf-Overshootday und Overshootdays weltweit

Wenn alle Länder wie Deutschland wirtschaften und emittieren würden, wären 3 Erden nötig – der deutsche Overshootday war dieses Jahr bereits am 4. Mai! Der Worldovershootday fiel auf den 2. August 2023 (1,75 Erden). Die reichsten 10 Prozent der Menschheit sind für rund 47 Prozent aller Kohlenstoffdioxid-Emissionen verantwortlich. Klimagerechtigkeit heißt auch: Wir können uns den Lebensstil der Reichen nicht mehr leisten, – das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung schädigt durch einen überbordenden Lebensstil das Klima doppelt so stark wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit zusammen! Aber auch Sieben Linden agiert noch nicht innerhalb der planetaren Grenzen und erreicht heute, am 1. November bereits diese Marke. Und doch bringt der Ökodorf-Overshootday am 1.11. auch eine positive Nachricht: Immerhin beträgt der Fußabdruck des Ökodorfes nur etwa ein Viertel des Bundesdurchschnitts. Ein nachhaltigeres Leben ist möglich, machbar und führt zu einer hohen Lebensqualität.

Das Fußabdruck-Modell kritisch betrachtet

Errechnet werden der Ökodorf-Overshootday sowie die regionalen oder globalen Overshootdays auf der Basis der Fußabdruck-Werte, die in CO2-Äquvalenten ausdrücken, welchen ökologischen Impact Menschen, Länder oder Organisationen haben. Diese Modelle sind bei aller Unschärfe gut geeignet, um zu visualisieren, eine Orientierung zu erhalten und Trends zu ermitteln. Der Ökodorf-Overshootday von Sieben Linden am 1. November ist ohne die „öffentlichen Grundlasten“ wie Straßen, Schulen, Militär und Krankenhäuser gerechnet. Auf diese „Grundlast“ haben wir keinen oder wenig Einfluss. Gerade beim Militär und hinsichtlich der aktuell geplanten Autobahnausbauten würden wir in Sieben Linden sehr gern kräftig beim Reduzieren helfen.

Wir bauen seit 1997 das große Ökodorf mit dem kleinen ökologischen Fußabdruck auf und meinen: Jede und jeder sollte den eigenen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich halten – so wie es paradoxerweise auch der Mineralölkonzern BP seit 1997 in Fußabdruck-Werbekampagnen vermittelt. Vielleicht auch, um von einigen Tatsachen abzulenken? BP allein ist für 1,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – und auch daran muss sich ganz dringend etwas ändern.

Ökodorf-Overshootday trotz kleinem ökologischen Fußabdruck

Doch auch die Ökodorf-Gemeinschaft mit ihren 150 Menschen ist beim privaten Lebensstil leicht drüber. Genau zwei Monate (November und Dezember) leben wir rechnerisch auf Pump, bzw. auf Kosten der Natur und zukünftiger Generationen. Vieles läuft hier in Sieben Linden schon ideal: Supereffiziente Strohballen-Lehm-Häuser, wenig Wohnraum pro Person, die kurzen (Arbeits-)Wege vor Ort, die professionelle Selbstversorger-Gärtnerei (über 70% Obst, Gemüse aus Eigenanbau), Konsum minimieren, Dinge teilen. Wir fragen uns, wo Einsparpotentiale liegen.

Einige Antworten: Ein kompletter Verzicht auf tierische Produkte (die wir bereits sehr stark reduziert haben) könnte die Bilanz verbessern. Viel zu häufig finden wir doch gute Ausreden, in die umliegenden Orte, die jeweils 8 km entfernt sind, mit dem Auto statt mit Bus oder Fahrrad zu fahren. Und auch der ÖPNV hat noch Luft nach oben, sobald bei kleinen Fahrpreisen immer mehr Menschen vom Auto auf Öffis umsteigen und die Busse gut ausgelastet sind. Und sicher sollten wir, obwohl wir sehr selten fliegen, so manche Urlaubs- und Vernetzungsreise nochmals auf den Prüfstand stellen.

Bäume pflanzen und pflegen verkleinert den Fußabdruck

Unsere Bäume im Agroforst wachsen heran und binden perspektivisch immer mehr CO2 aus der Luft. Wir wollen in Zukunft noch viel mehr Bäume auf Äckern pflanzen, und starten daher ein großes Agroforst-Projekt. Auch der Humusaufbau, der in Sieben Linden auf dem gesamten 100 Hektar großen Gelände vorangetrieben wird, bindet Kohlenstoff aus der Luft. Immer wieder diskutieren wir, ob unsere Holzvergaseröfen, mit denen wir die Häuser heizen, noch zeitgemäß sind. Bisher scheint uns das Holz aus den eigenen, ökologisch bewirtschafteten Waldflächen weiterhin ein nachhaltiges Konzept zu sein. Zumal wir mit der Solarthermie kräftig zuheizen, also Sonnenenergie in die Heizsysteme einspeisen. Wenn der Himmel klar ist und die Sonne scheint, können auch an kühlen Tagen die Holzöfen oftmals kalt bleiben.

Das CO2, das wir durch Waldaufbau und Agroforst binden, fließt bisher nicht ein in die Berechnung des Sieben Linden-Footprints. Hier mehr Hintergründe zur Kalkulation Fußabdruckes durch die Universität Turin.

Wir speichern auch dein CO2

Sieben Linden baut seit 26 Jahren eine beispielhafte Lebensweise mit einem kleinen Fußabdruck auf und steigert die ökologische Wertigkeit des Geländes als CO2-Speicher und für die Biodiversität. Wir speichern auch dein CO2! Wer ganz konkret über unsere Agrofrost-Pflanzungen das eigene CO2 kompensieren möchte, ist herzlich eingeladen bei der Finanzierung zu helfen. Im Rahmen der Agroforst-Seminare oder bei Führungen kann jede:r mit eigenen Augen sehen, was auf unserem Acker wächst.

Hier ein Blogbeitrag zum Agroforst und der CO2-Kompensierung:

von Simone Britsch

Weiterführende Links und Quellen:

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