Zuzug ins Dorf

Um in Sieben Linden leben zu wollen, ist vor allem gegenseitiges Interesse und Sympathie nötig. Eine langsame Annäherung mit der Möglichkeit sich kennen zu lernen ist in den meisten Fällen von Vorteil. Wenn Menschen mit Fähigkeiten und Berufen, die wir hier dringend brauchen, gleich mitarbeiten und dabei testen wollen, ob Sieben Linden ein Ort für sie sein kann, haben wir in der Vergangenheit auch immer wieder Möglichkeiten gefunden, das schon parallel zum unten geschilderten Annäherungsprozess zu gestalten. Zum Beispiel fehlen in mehreren Bereichen Handwerkende, auch für die IT suchen wir fast immer Unterstützung. Allerdings braucht es ja auch dafür einen ersten Schritt.

Annäherung

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, das Ökodorf und seine Bewohner*innen kennen zu lernen: über Mitarbeitswochen, Seminare, Sonntagscafés, das Sommercamp, Freiwilligendienste, private Kontakte oder über unser Webinar: „Die große Ökodorf-Führung“ o.ä. Weitere Eindrücke kannst du dir zum Beispiel auch über unseren Podcast oder YouTube-Angebot uvm. verschaffen.

Bei ernsthaftem Zuzugsinteresse ist der Weg über eine speziell dafür entwickelte Seminarreihe absolut empfohlen. Diese Seminarreihe besteht aus einem „Info-Wochenende“ bzw. einer „Info-Woche und Urlaub“, dann dem einwöchigen Seminar „Sieben Linden intensiv“ und dem zweiwöchigen „Gemeinschaftskurs“. Sie wird von erfahrenen und langjährigen Bewohnenden Sieben Lindens gestaltet. Ziel ist, den Prozess der Annäherung intensiv zu begleiten und auch für die Sieben Lindener*innen ein Kennenlernen der Zuzugsinteressierten sinnvoll möglich zu machen. Der Zuzug nach Sieben Linden führt über das Kennenlernen und Vertrautwerden mit den Bewohnenden der Gemeinschaft, und dazu können die Kurse einen wertvollen Beitrag leisten. Die eigentlichen Zuzugsentscheidungen treffen ausschließlich die Bewohnenden Sieben Lindens bzw. natürlich die Annähernden selbst. Die Kurse sind auch unabhängig vom Zuzug eine starke Gemeinschaftserfahrung mit den anderen Menschen im Kurs. Sie ermöglichen ein vertiefendes Kennenlernen unserer Gemeinschaft und geben auf allen Ebenen eine fundierte Entscheidungsgrundlage für einen eventuellen Einstieg. Nach jedem Kurs entscheiden sich die Teilnehmer*innen, ob sie den nächsten Schritt machen wollen oder nicht. Zugleich lernen die Mitglieder der Gemeinschaft die Interessierten auf ihrem Weg nach Sieben kennen.

Auf dieser Grundlage, d.h. im Anschluss an die Seminarreihe, folgt dann ggf. eine einjährige Probezeit vor Ort. Während dieser Zeit schauen beide Seiten, wie sich das Zusammenleben konkret gestaltet.

Wir bekommen manchmal das Feedback, dass unser Annäherungsprocedere gesteuert oder unfrei wirkt oder dass es ganz schön hart ist, Menschen nicht zur weiteren Annäherung einzuladen. Andererseits wachsen wir dadurch seit Jahren ziemlich zuverlässig und ohne Überforderung für die schon ansässigen Bewohnenden des Dorfes. Das ist sehr wichtig, weil es immer Bewohnende gibt, die dem Wachstum der Gemeinschaft sowieso kritisch gegenüberstehen, auch wenn die große Mehrheit es begrüßt. Wir versuchen uns auch in großer Transparenz, in der Regel merken Annähernde ja selbst, ob und wie sie im Gemeinschaftsgefüge so ankommen. Wir sind ständig in Diskussion über unseren Ankommensprozess und – wie oben erwähnt: es kann auch ganz anders laufen.

Hier die Seminarmodule im Überblick:

1. Seminare mit gründlicher Einführung in die Organisationsform Sieben Lindens:

Sieben Linden Info-Wochenende“ (Wochenendseminar, ca. 7 mögliche Termine pro Jahr) oderÖkodorf kennenlernen und Urlaub“ (5 Tage, 2-3 mögliche Termine pro Jahr)

2. Sieben Linden intensiv. Selbsterfahrung in Gemeinschaft (2-3 mögliche Termine pro Jahr): Eine Woche eintauchen in das Thema Gemeinschaft. Es geht um allgemeines Gemeinschafts-Erfahrungswissen und insbesondere um die persönliche Reflexion:

  • Welche Qualitäten und Herausforderungen hat Gemeinschaft und wie stehst du selbst dazu, in Gemeinschaft zu leben?
  • Wie beeinflussen Hierarchien und Finanzen eine Gruppe? Wie ist dein eigenes Verhältnis zu Macht, Entscheidungsfindung und Geld?
  • Eine Gemeinschaft fußt auf explizit formulierten oder untergründig gebildeten Wertvorstellungen und Motiven.
  • Was sprechen die „Commitments“ von Sieben Linden in dir an?

Sieben Linden intensiv richtet sich an alle an Gemeinschafts- und Projektaufbau interessierten Menschen, sowie an diejenigen, welche mit dem Gedanken spielen, konkret nach Sieben Linden zu ziehen.

3. Gemeinschaftskurs für Zuzugsinteressierte (jährlich über Ostern)

Wer sich nach dem Intensivkurs für den Gemeinschaftskurs anmelden möchte, schreibt eine kurze „Bewerbung“. Auf Grundlage der Bewerbungen und des Kennenlernens in den vorherigen Modulen geben die Bewohnenden Sieben Lindens in einer internen Abstimmung ihre Stimme für die Bewerber*innen zum Gemeinschaftskurs ab: Sie können jeweils zwischen „auf keinen Fall“ bis zu „au ja!“ ihre eigenen persönlichen Einschätzungen zum Ausdruck bringen. Dabei spielt auch eine Rolle, ob die Bewerbenden nach Einschätzung der Gemeinschaftsmitglieder gute Chancen haben, im Dorf „zu landen“, ob sie mit ihren Wünschen und Fähigkeiten im Dorf gut aufgehoben sind und ob sie demographisch gut zum Gemeinschaftsgefüge passen. Bei diesem Treffen wird entschieden, wer zum Gemeinschaftskurs eingeladen wird, wer auf der Warteliste landet und für wen es nicht genug Zuspruch zur weiteren Annäherung gibt.

Im Gemeinschaftskurs setzen die Referent*innen mit den Teilnehmenden die gemeinsame und individuelle Forschungsreise des Kurses „Sieben Linden Intensiv“ fort. Verschiedene Methoden der Gemeinschaftsbildung schaffen einen Raum der gegenseitigen Unterstützung und der Vertiefung der Gemeinschaft der Kursteilnehmer*innen. Die Informationen über das Lebens- und Arbeitsprojekt Sieben Linden erhalten noch mehr Alltagsbezug und es gibt viele Möglichkeiten, Gemeinschaftsmitglieder kennen zu lernen. Die organisatorischen und auch die inneren Fragen zum individuellen Zuzug bekommen Raum. Der Umzug in ein gemeinschaftliches Leben mit einer gewissermaßen eigenen Kultur löst oft Prozesse aus, für die der Gemeinschaftskurs ein angemessener und fast schon feierlicher Rahmen ist: Er findet um die Osterfeiertage herum statt und wird von der Gemeinschaft mit großem Interesse begleitet.

Gibt es klare Zuzugskriterien?

Es ist letztlich nicht möglich, klare Zuzugskriterien auszuweisen. Es ergibt sich erst im Miteinander, wie stark die gegenseitige Anziehung und die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft ist – ein bisschen so wie in einer Beziehung. Bewerbende zum Gemeinschaftskurs, die im Durchschnitt mindestens eine „Ja“-Stimme von der Gemeinschaft erhalten (das heißt: für die der Durchschnitt der Stimmenabgaben aus der Gemeinschaft mindestens ein „ja“ ergibt und kein „unentschieden“, „eher nicht“ oder „auf keinen Fall“), werden dafür eingeladen oder auf die Warteliste gesetzt. Ein paar Tendenzen haben sich in den letzten Jahren allerdings gezeigt (Widersprüche inklusive):

Da in den letzten Jahren weniger Handwerkende zugezogen sind, freuen wir uns sehr über Verstärkung auf diesem Gebiet.

Viele von uns begrüßen Familien sehr gern, wir sind ja ein sehr kinderfreundliches und kinderreiches Dorf. Es ist uns wichtig, dass auch die Kinder und Jugendlichen, deren Eltern ein Zuzugsinteresse haben, sich ans Dorf annähern und sowohl sie als auch die Gemeinschaft ausreichend Gelegenheit für ein gegenseitiges Kennenlernen bekommen. Da ein limitierender Faktor für den Zuzug immer wieder der Wohnraum ist (s.u.), ist es oft knifflig, für Familien auf Anhieb passenden Wohnraum zu finden.

Wir lieben das Zusammenleben aller Generationen. Unsere demografische Entwicklung in Sieben Linden zeigt, dass wir einen Überhang der Generation 40 – 70 haben. Und wir werden natürlich in den nächsten Jahren auch kontinuierlich älter. Um unsere demografische Pyramide langfristig ausgewogen zu gestalten, blicken viele Gemeinschaftsmitglieder auch auf das Alter der Zuzugsinteressierten, wenn es um die weiteren Schritte der Annäherung geht.

Statistik aller in Sieben Linden wohnenden Menschen Januar 2023 inklusive Kinder, Freiwilligendienstleistenden etc.

Auch noch ein Wort zu „Haustieren“: Es gibt in Sieben Linden sehr verschiedene Ansichten, ob Hunde erwünscht sind und entsprechend verschiedene Beschlüsse zu den Themen Hunde- und Katzenhaltung. Es ist schwierig, mit einem Hund oder einer Katze als Lebensgefährten nach Sieben Linden zu kommen. Katzen gefährden die vielfältige Kleintier- und Vogelwelt Sieben Lindens und verschmutzen mit ihren Hinterlassenschaften die Sandkästen. Wir haben auch schon viele Katzen, die uns zugelaufen sind. Hunde werden von manchen als störend wahrgenommen, von manchen wird auch in Frage gestellt, ob sie überhaupt artgerecht gehalten werden können. Menschen, die mit Hunden und Katzen kommen wollen, beantragen das in jedem Fall beim Probezeitantrag.

Probezeit in Sieben Linden

Nach dem Gemeinschaftskurs spricht die Gemeinschaft für die weiterhin Interessierten eine Ermutigung zum Probezeitantrag aus (oder nicht), um den Teilnehmenden eine aktuelle Einschätzung darüber zu geben, wie die Gemeinschaftsmitglieder zu ihnen stehen. Die Möglichkeit zu einem Probezeitantrag ist aber grundsätzlich gegeben.

Zum Antrag auf die meist einjährige Probezeit gehören zwei Pat*innen (Genoss*innen aus Sieben Linden, die einen durch die Probezeit geleiten), eine „Probezeitfragestellung“ und ein sog. Vorstellungsabend, wo der/die Bewerber*in aus dem eigenen Leben erzählt, Fotos zeigt etc. Dieser Abend wird jeweils ganz individuell gestaltet und hilft der mittlerweile sehr großen Gemeinschaft, einen Einblick in die Welt der Neuzuzügler*innen zu bekommen. In einer anschließenden Abstimmung entscheiden die Bewohner*innen über die Bewilligung der Probezeit.

Bei all den beschriebenen Abstimmungen zählen nur die abgegebenen Stimmen. Es muss also keine Mehrheit oder eine Zustimmung aller Genoss*innen erreicht werden, sondern nur derer, die sich an den Abstimmungen beteiligen.

Aufnahme in die Genossenschaft

Nach der Probezeit entscheidet die gesamte Bewohner*innenschaft (alle Genoss*innen der Siedlungsgenossenschaft) über die Aufnahme in die Genossenschaft. 2/3 der Bewohner*innen müssen bei dieser Abstimmung der Aufnahme zustimmen. Dann ist der erste Teil der Genossenschaftseinlage fällig, der zweite bei Aufnahme in die Genossenschaft. Einmalig wird eine Genossenschaftseinlage von mindestens 11 Geschäftsanteilen fällig, die bei Auszug zurückbezahlt wird (=11.275 Euro) sowie ein Eintrittsgeld von 1.800 Euro (beides pro Erwachsener). Letzteres wurde v.a. als Inflationsausgleich für die Bewohnenden eingeführt, die ihr Vermögen schon seit vielen Jahren zinsfrei in die Genossenschaft investiert haben und die in den Anfängen sehr viel mehr ehrenamtlich für das Ökodorf gearbeitet haben als heute üblich. Die monatlichen Lebenshaltungskosten liegen für die meisten Bewohner*innen zwischen 700-1.000 Euro (das ist kein Geld, das man dem Ökodorf zahlt, sondern die durchschnittlichen allgemeinen Ausgaben der Bewohner*innen für Miete, Nebenkosten, Essen, Infrastruktur usw.). Der Hausbau erfordert weitere finanzielle Mittel.

Ein Dorf neu aufzubauen und dabei stets ökologische Lösungen zu bevorzugen ist leider teuer und uns ist schmerzlich bewusst, dass das im Widerspruch zum Wunsch nach einem Leben steht, dass nicht durch Markt- und Leistungslogik geprägt ist. Wenn Zuzugswillige nicht das erforderliche Kapital mitbringen, können die Anteile evtl. durch „solidarische Anteile“, die andere für sie zeichnen, übernommen werden. Dafür ist jedoch auch nötig, dass diese Menschen zunächst alle Wege ausgeschöpft haben, persönlich, z.B. durch langsames Ansparen oder durch Privatkredite von Freunden oder Verwandten, ihren Anteil zu leisten. Denn uns ist wichtig, dass sich alle Menschen in Sieben Linden bewusst für ihren Anteil an dem Kapital, das für den Aufbau Sieben Lindens notwendig ist, engagieren. Unsere Wachstumsmöglichkeit als Gemeinschaft und Dorf wird nicht nur durch den Platz in unseren Herzen bestimmt, sondern auch ganz konkret durch freien Wohnraum. D.h. wir haben Zuzugsmöglichkeit für Neue, wenn das nächste Wohnhaus fertig gestellt ist (wir haben in der Vergangenheit etwa alle 1-2 Jahre ein Wohnhaus gebaut) oder wenn uns Menschen wieder verlassen, weil ihr Weg sie weiterführt. Durch den begrenzten Wohnraum müssen sich Probezeitler*innen immer wieder mit diversen Zwischenlösungen zufriedengeben, bis sich was „Festeres“ findet. Wohnraum und Geldverdienmöglichkeiten müssen sich in der Annäherungsphase erst finden, dafür sind der Gemeinschaftskurs und die Pat*innen als Unterstützung gedacht.

Wenn du dich also mit Zuzugsgedanken trägst, empfiehlt es sich, einen Kurs „Sieben Linden Info-Wochenende“ oder „Sieben Linden Info-Woche und Urlaub““ und das Seminar „Sieben Linden intensiv“ mitzumachen, als Entscheidungshilfe für dich selbst, und um den Sieben Lindner*innen die Gelegenheit zu geben, etwas vertraut mit dir zu werden. Das ist dann noch keine Entscheidung über einen Zuzug, sondern „erst mal nur“ eine weitere Annäherung. Letztlich entsteht der Weg beim Gehen.