„Niemand ist frei, bis wir nicht alle frei sind“

Performance im Ökodorf Sieben Linden bringt Begegnung zwischen Enkelkindern aus Palästina und Israel auf die Bühne

Fragmente und Erinnerungen beleuchten die aktuelle Situation in Palästina

Am 13. Juni 2025 fand im Amphitheater des Ökodorfes Sieben Linden eine Performance statt „Mein Vater kommt aus… “ . Eine bewegende Auseinandersetzung zwischen Enkelkindern aus Palästina und Israel, die sich den tief verwurzelten Geschichten ihrer Familien und den anhaltenden Konflikten widmet. Die Performerinnen Tabea Tabazah und Lara Tuart, beide mit familiären Wurzeln in den betroffenen Regionen, erkunden in ihrer Darbietung komplexe Narrative: Trauma, Vertreibung und den aktuellen Völkermord in Gaza sowie die Gewalt im Westjordanland.

Persönliche Geschichten im Blickpunkt

Tabea Tabazah, Deutsche mit einem palästinensischen Vater: „Meine Familie wurde 1948 aus ihrer Heimat Palästina von Zionist*innen vertrieben.“ Sie verweist auf die historische Tragödie und die anhaltenden Folgen, die bis heute nachwirken und zur Besatzung des palästinensischen Gebiete führt. Lara Tuart, Deutsche mit jüdischem Vater: „Meine jüdische Familie ist 1948 nach Palästina gezogen. Sie kamen aus Russland in ein Land Israel, das ihnen versprochen wurde, wo sie geduldet, aber nicht glücklich wurden.“ Beide Geschichten spiegeln die persönliche Dimension des Konflikts wider, der weit über politische Debatten hinausgeht.

Einzelne Charaktere sprechen und das Publikum wird involviert

Es ist ein interaktives Theaterstück: Das Publikum bekommt verschiedene Sprechrollen, die einzelne Zuschauer*innen ablesen. Zum Beispiel Nizar und Schaha. Nizar, Olivenbauer aus dem Westjordanland: „Israel pumpt fast alles Wasser von Seen und Flüssen ab. Es gibt Grundwasser, doch ist es verboten Brunnen zu bohren, für uns Palästinenser. Sobald israelische Siedler hier ein Haus bauen bekommen sie eine Wasserleitung gelegt.“ Schaha, palästinasolidarische Israelin: „Viele Israelis sind kaum informiert: In den Nachrichten in Israel gibt es jeden Tag eine Geisel-Story. Und über Gaza wird fast nie berichtet: Die meisten hier wissen nicht wirklich, wie schlimm es dort ist. Und sie wissen nicht, dass Menschen verhungern und verdursten.“

Die Darstellerinnen bitten in einer Szene über die israelische Besatzung etwa 20 Personen aus dem Publikum auf die Bühne. Sie symbolisieren die Grenzen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Eine Gruppe eingesperrte „Westjordanier*innen“ und die „Gaza-Bewohner*innen“ ohne Ausreisemöglichkeit halten die Mauern, die ihr Land jeweils umgeben, symbolisch hoch. Sie stehen lange dort, nach 20 Minuten beginnen sie unruhiger zu werden und von einem Bein auf das andere zu treten. Sie erhalten in einer Szene kein Wasser. Das Publikum leidet mit. Eine Erlösung lässt auf sich warten. Sie verdursten, so wie in Gaza durch die Trinkwasserverknappung.

Deutsche Positionen im Schatten des Holocausts – eine Begegnung der Generationen

In der Performance wird auch deutlich, wie der Schatten des Holocausts noch immer auf der Deutschen Außenpolitik lastet. Nach 80 Jahren der Unterdrückung nun zu einer politischen Unterstützung des Genozids an den Palästinenser*innen führt. Die Performerinnen sprechen von unaufgearbeiteten Schuldgefühlen, die in Waffenlieferungen und diplomatischem Beistand für eine rechtsextreme israelische Regierung münden: „Der Genozid in Palästina wird auch von deutschen Schuldgefühlen befeuert. Diese historische Schuld verhindert, sich für eine sichere und freie Zukunft für alle Menschen in der Region einzusetzen.“ Die Botschaft auf der Bühne ist klar: Freiheit und Sicherheit können nur dann erreicht werden, wenn alle Menschen in Israel und Palästina frei von Angst, Diskriminierung, Hunger und Ungerechtigkeit leben.

Die palästinensische Perspektive steht im Vordergrund

Die Darbietung ist bewusst von der palästinensischen Perspektive geprägt. Es geht darum, die ungleichen politischen Machtverhältnissen und die oft einseitige Medienberichterstattung auszugleichen. Tabea Tabazah als Künstlerin mit palästinensischen Wurzeln: „Wir als Palästinenser*innen erleben derzeit die Ermordung unserer Verwandten und wollen die Aufmerksamkeit auf diese Kriegsverbrechen lenken.“ Ihre Freundin und Kollegin Lara Tuart sagt auf der Bühne: „Ich gebe Tabea angesichts des akuten Völkermordes und der Ungerechtigkeit gern diesen Raum“. Es folgt eine Versöhnungsszene. Nach der Veranstaltung gab es zwischen den etwa 70 Zuschauer*innen noch regen Austausch dazu, ob israelische und palästinensische Perspektiven in Deutschland immer nur „ausgewogen“ nebeneinander stehen dürfen. Oder ob die aktuelle Situation eine Betonung der am meisten und sehr akut bedrohten Menschen rechtfertigt. Eine Zuschauerin sagt: „Ich bin dankbar, dass ich durch dieses Stück meinen Blickwinkel erweitern konnte und nun den Konflikt insgesamt besser einordnen kann.“

Globale Gerechtigkeit als Voraussetzung für Frieden und Klimaschutz

„Ohne globale Gerechtigkeit kann es kein gutes Leben für alle Enkelkinder von heute geben“, heißt es in der Performance. Die beiden Performerinnen ergründen die dekoloniale Perspektiven. Sie machen die Verbindung zwischen den aktuellen Missständen und historischen Verwerfungen sichtbar. Und sie laden das Publikum ein, die Zusammenhänge tiefer zu erkennen und Solidarität zu zeigen.

Greta Thunberg hat vor wenigen Tagen versucht, mit dem Segelschiff Madleen und 11 anderen Aktivisti die Seeblockade nach Gaza zu durchbrechen. Sie sagte einmal, sie wolle die Welt vor dem Klimawandel schützen. Heute sagt sie: „Imperialismus, Unterdrückung, Genozid – all das ist Teil desselben Systems wie die Klimakrise.“

Mehr Infos zur Perfomance hier: https://empathyforpeace.de/

Simone Britsch

Hinweis: Dieser Beitrag sowie die Teilnahme an der Veranstaltung repräsentiert nicht unbedingt die Meinung aller Bewohner:innen des Ökodorfes Sieben Lindens und des Vereins Freundeskreis Ökodorf e.V.

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