Unser Experiment Mini-Biogasanlage nimmt wieder Fahrt auf

Biogas und Flüssigdünger kann in kleinen Haushalts-Biogas-Anlagen im eigenen Garten aus Abfällen hergestellt werden. In Sieben Linden haben wir vor, überwiegend Fäkalien zu vergären, denn die haben wir „übrig“: etwa 40 kg pro Tag plumsen in die Eimer der zahlreichen Trockentrenntoiletten.
Mit Biogas einen Teil des Propangases an den Kochstellen zu ersetzen – das wäre in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise doch eine tolle Sache! Forschungsfrage in Sieben Linden ist, wie sich Fäkalien biochemisch verhalten und wie viele Anteile anderer organischer Stoffe die Anlage braucht. Außerdem geht es um den Winterbetrieb, denn wir sind nicht in den Tropen, wo diese Kleinstanlagen perfekte Temperaturen von über 20°C rund ums Jahr vorfinden. Also: Ärmel hochkrempeln, hands on!
Wer lieber hört statt liest, kann zur neuen Biogas-Podcast-Folge umschalten, ein Gespräch mit Katrin Pütz von (B)energy:

Rückblick: Wie unser Biogas-Abenteuer begann
Im Frühjahr 2021 starteten wir mit Werner Wiartalla (ufaFabrik Berlin) und einer ersten Lowtech-Mini-Biogasanlage von noaclimate das Experiment, auf unserem Gelände aus Abfällen Biogas zum Kochen zu produzieren.
Die Idee war so einfach wie genial! Am Gäste-Campingplatz in der Outdoor-Küche mit Biogas kochen, dann ruckzuck die Küchenabfälle und wenig später die verdauten Reste in die Anlage geben. 1 Tag warten – und schon fließt das Biogas mit 20 mbar Druck (durch ein Gewicht auf dem Gassack erzeugt) durch die Schläuche, welche sich zugegebenermaßen etwas wild durch die Bäume zur Küche schlängeln. Dort geht es dann munter weiter mit Kochen, Essen, und Sch… . Sogar ein Durchlauferhitzer wurde montiert, der Warmwasser zum Abwaschen bereiten konnte! Langfristig sollte der aus der Gärung entstehende Flüssigdünger für Gehölze verwendet werden. Doch dafür bräuchte es Laboruntersuchungen usw. – zunächst haben wir also die überschüssige Gärflüssigkeit nur in der Fäkalienkompostierung eingesetzt.
Also – Die perfekte Demonstration eines organischen, regenerativen Stoff- und Energie-Kreislaufes auch für Schulklassen und andere Gäste.

Doch ich muss sagen, das war mehr Abenteuer, als ich gedacht hätte! Die kleine Biogas-Anlage stand neben dem Klohäuschen am Campingplatz und über eine Schiffstoilette konnten Gäste ihre Hinterlassenschaft recht unproblematisch in die Anlage pumpen. Soweit erstmal sauber und gut! Aber wie sollten wir die Fäkalien-Eimer aus anderen Trockentrenntoiletten dort in den kleinen Trichter entleeren? Ich schreibe jetzt trotz des Unterhaltungswertes nichts Bildliches über einige kreative Ansätze, die bei einigen Beteiligten erheblich über der Ekel-Schwelle lagen 😉
Dann kam der Winter. Die Anlage erhielt einen maßgeschneiderten Wintermantel sowie ein Gewächshaus. Außerdem eine Heizung in Form eines Aquarienheizstabes. Leider war der Stromverbrauch zu hoch, wahrscheinlich hatten sich Verkrustungen um den Heizstab gebildet. Als dann das Gewächshaus bei Starkregen auch noch einkrachte und daraufhin Gär-Flüssigkeit auslief und es zum benachbarten Waldkindergarten sowie zum Mädchenbauwagen „rüber müffelte“ war das ein Tiefschlag. Das „Forscherteam“ baute etwas wehmütig die Anlage ab, denn noaclimate hatte mittlerweile die CE Zertifizierung erreicht und war dabei, eine optimiertes Modell in Serie zu bringen. Damit wollten wir dann 2023 weitermachen.

Leider kam dann Ende 2022 die unfassbar traurige Nachricht, dass noaclimate-Firmengründer Francois DeWet (mein Interviewpartner in der Podcastfolge 26) ganz unerwartet verstorben ist. … Unfassbar … Seine Kolleg:innen und auch wir als Kooperationspartner vermissen Francois, einen umweltbewegten Biogas-Unternehmer und Ökologen. Das Familienunternehmen noaclimate ist derzeit in der Neuorganisation und wird bald die Produktion unter der Leitung von Kenny Storbeck wieder aufnehmen.

Weiter geht’s
Biogas-Pioniere geben nicht auf. Rück- und Schicksalsschläge sowie Fehler sind auch dazu da, dass wir lernen. Und so geht es 2023 weiter mit der Haushaltsbiogasfirma (B)energy, ein mit noaclimate befreundetes Social Business, das seit über 10 Jahren Mini-Biogasanlagen verkauft. Diesmal haben wir die „Kacke-Kompostanlage KKA“ als Standort für die ebenfalls zertifizierte (B)energy-Anlage gewählt. Auf der KKA werden seit 26 Jahren, behördlich genehmigt, in einem Heißkompostierungsverfahren die Fäkalien des Ökodorfes in einem dreijährigen Prozess zu Kompost verwandelt. Freundlicherweise sind die Ämter auch einer Mini-Biogasanlage gegenüber aufgeschlossen.
Rainer Zierer aus Sieben Linden hat sich dem Biogas-Projekt voller Elan und Neugier angenommen. In einem informativen und praxisnahen Workshop mit Katrin Pütz und Marcel Spahr von (B)energy haben wir Mitte März die neue Anlage mit Workshopteilnehmenden aufgebaut. Nun muss sich erstmal die „Verdauung“ der Anlage biochemisch einregulieren. „Furzender Fridolin“ wurde die Anlage von Rainer getauft, der offenbar einen ganz eigenen Humor hat.

Neuland
Mit Hilfe von (B)energy werden wir die Energiebilanz der Anlage, sowie die chemischen Prozess beobachten. Außerdem ist natürlich eine Praktikabilität wichtig: Fäkalien müssen hygienisch eingefüllt werden können – denn das ist ein anderer „Stoff“ als Gemüseabfälle. Und natürlich ist es in unserem Interesse, dass dauerhaft der Arbeitsaufwand und die Wartung gering bleiben. Besonders spannend werden die Übergangsjahreszeiten und der Winter. Wird man die Anlage im Winter stilllegen? Wann lohnt sich eine Beheizung mit Solar-Strom-Überschüssen? Wir werden euch berichten!

Übrigens hat die Anlage diesmal keine Leitung zum Kocher. Katrin Pütz ist nämlich die Erfinderin des legendären Biogas-Rucksackes, der als Gasspeicher und Transportmittel dient. In afrikanischen Ländern hat sie damit bereits große Erfolge erzielen können. Mit dem Rucksack kann man das Gas an der Anlage abfüllen und zum Kocher tragen. Ist das nicht gefährlich? Nein. Biogas ist nur brennbar, wenn es gezielt mit Luft vermischt wird, zum Beispiel in einem Kocher. Da unser System weder in der Anlage noch im Gasrucksackunter Druck steht und beide im Freien lagern, gibt es keine Explosionsgefahr!

Na, doch noch neugierig auf den neuen Biogas-Podcast? Hier geht es zum Interview mit Katrin Pütz in dem sie auch über ihre Erfahrungen in Afrika berichtet, wo ausgerechnet die Entwicklungshilfe Unternehmer:innen wie ihr das Leben schwer macht.

Hier eine kurze Video-Sequenzen zur Biogasanlage:

Podcast-Folge 26 mit Francois DeWet zu Biogas in Sieben Linden.

Simone Britsch

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