Ökodorf Sieben Linden Podcast

Brennessel, Löwenzahn, Hirtentäschel und Co sprießen in diesen maigrünen Frühlingstagen. Diese Wildkräuter sind nahrhafte Superfoods, die auch in deiner Nähe wachsen und nur darauf warten, entdeckt zu werden. Jörg Zimmermann sammelt seit vielen Jahren morgens die noch taubedeckten Wildkräuter im Ökodorf. Er erklärt, was beim Sammeln zu beachten ist, damit du Wildkräuter als köstliche und kostenlose Ergänzung des Speiseplans nutzen kannst. Beispielsweise die Brennessel. Sie ist zwar als Unkraut verschrien, doch in ihr steckt eine Menge Vitamin C und man kann sie als Spinat, Limo oder Tee verwenden. Außerdem ist die Brennessel ein wertvolles Biotop für sehr viele Schmetterlingsraupen.

Also – folge Jörg und der wilden Sieben auf Wiesen und Felder auch in deiner Gegend. Ernte und schütze Wildpflanzen oder baue sie auf deinem eigenen Balkon oder im Garten an.

Die Wilde-7 Wildkräuterversand: https://wilde-7.de/

Demnächst gibt es einen Wildkräuter-Online-Kurs in der Sieben Linden Webinarwelt. Bald auf siebenlinden.org

Autorin: Simone Britsch
Mail: podcast@siebenlinden.org
Interviewpartner: Jörg Zimmermann

Veröffentlicht unter der Creative Commons (CC BY 4.0),
Copyright Freundeskreis Ökodorf e.V., 07.05.22

Der Podcast zum Lesen:

Simone: Hallo und herzlich Willkommen, Folge 40, Ökodorf-Podcast aus Sieben Linden.
Brennnessel, Löwenzahn und viele andere Wildkräuter sprießen in diesen maigrünen Frühlingstagen. Diese Wildkräuter sind Super-Foods, die auch in deiner Nähe wachsen und nur darauf warten entdeckt zu werden. Jörg Zimmermann sammelt seit vielen Jahren morgens die noch taubedeckten Wildkräuter im Ökodorf. Er erklärt was beim Sammeln zu beachten ist, damit du Wildkräuter als köstliche und kostenlose Ergänzung des Speiseplans nutzen kannst.
Also folge Jörg und der Wilden 7 auf Wiesen und Felder, auch in deiner Gegend. Sammle und schütze Wildpflanzen oder bau sie auf deinem eigenen Balkon oder im Garten an.

Demnächst gibt es sogar einen Wildkräuter-Onlinekurs mit Jörg. Hallo Jörg.

Jörg: Hallo Simone.

Simone: Ja super, wir reden heute über Wildkräuter und am besten steigen wir mal ein: Kräuter kennen wir alle, aber Wildkräuter? Was ist das „Wilde“ daran?

Jörg: Ja das ist eine gute Frage. Viele denken wahrscheinlich daran, dass man dafür ganz weit in die Ferne muss, auf irgendwelche abgelegenen Berge oder sonst wohin, in die Wildnis sozusagen.
Aber dem ist nicht so. Als Wildkräuter bezeichnen wir eigentlich nur alle Pflanzen, die nicht vom Menschen züchterisch oder anderweitig beeinflusst sind. Wo der Mensch nicht eingreift um sie anzubauen oder sie zu erhalten, sondern die sich von sich aus erhalten können, die sich von sich aus aussamen und weitervermehren ohne unser Zutun. Das sind im Prinzip fast alle Pflanzen, die wir so kennen.

Simone: Wildkräuter spielen ja in deinem Leben schon seit vielen Jahren eine große Rolle.
Was fasziniert dich so daran?

Jörg: Das Faszinierendste für mich war eigentlich die Erkenntnis, dass die Natur essbar ist. Dass die Natur mich wirklich nährt, dass sie für mich da ist.
Ich bin in Berlin groß geworden, richtiges Stadtkind, und das Einzige, was ich kannte waren Gras, Löwenzahn, Brennnesseln und Vogelmiere und damit hört es dann irgendwann auf.
Ich bin nie so richtig mit der Natur in Kontakt gekommen und in meinem Erwachsenenleben, als ich dann mit Wildkräutern in Berührung kam, war das ein richtiges Aha-Erlebnis: die Natur ist für mich da. Eigentlich ist es logisch. Der Mensch hat sich ja in der Natur und mit der Natur entwickelt, da wäre es komisch wenn es anders wäre. Wenn die Natur uns feindlich gesonnen wäre, gäbe es uns gar nicht mehr.

Simone: Okay, und dann hast du einfach angefangen dich zu informieren. Und Brennnesseln, Vogelmiere und so weiter zu essen.

Jörg: Genau, also das war auch ein sehr schleichender Prozess. Ich habe noch in Berlin gewohnt und irgendwann habe ich dann mal eine Fernsehsendung gesehen, die hieß „Löwenzahn & co“ oder „Brennnessel und Bärlauch“ oder wie auch immer, die so hießen, oder ich habe mal ein Buch gesehen und bin so eigentlich auf dieses Thema erst gestoßen.
Ich selbst habe Landwirtschaft studiert und gelernt wie man mühsam die Wildkräuter „Unkräuter“ bekämpft.

Bis ich irgendwann gemerkt habe: „Moment mal, warum eigentlich? Die sind essbar, warum mache ich mir die Mühe? Warum quäle ich mich so als Bauer, wenn ich das doch einfach alles essen kann?“

Simone: Ich finde das ist einer der absolut geniale Aspekte von Wildkräutern, dass sie wirklich überall vorkommen. Es sind oft die Pflanzen, die zuerst wieder wachsen wenn eine Fläche umgebrochen wurde, auf irgendwelchen Brachen und so weiter.

Eigentlich gibt es die wirklich überall und sogar in der Stadt. Was kannst du dann empfehlen, wenn man jetzt auch gerne einsteigen würde? Sich mehr mit Kräutern, mit Wildkräutern vertraut machen möchte, vielleicht aber auch in der Stadt lebt. Wie soll man vorgehen?

Jörg: Also es gibt immer viele verschiedene Möglichkeiten. Die einen haben vielleicht einen eigenen Garten oder sie haben einen Balkon oder sie können auf dem Hinterhof Hochbeete anlegen, in denen sie dann auch die Unkräuter entweder stehen lassen und nutzen oder gezielt auch aussähen.
Das kann man alles machen, du findest auch Saatgut für Wildkräuter.
Oder du fährst an den Stadtrand, meist kommst du auch mit Öffentlichen relativ schnell aus der Stadt raus. Da solltest du allerdings schon vorher wissen wie der Boden bearbeitet wird oder belastet ist. Wenn du zum Beispiel in die Landschaft fährst und auf Feldern und Äckern sammeln willst, dann solltest du wissen ob dieser Acker biologisch bewirtschaftet wird oder konventionell? Und auf konventionellen Äckern würde ich nicht empfehlen zu sammeln, weil du nie weißt welche Gifte da aus gebracht wurden.

Simone: Verkehrsbelastung ist wahrscheinlich in der Stadt auch manchmal so ein Kriterium, das selbst die schönsten Flächen manchmal an einer großen Straßen liegen.

Jörg: Genau, man muss einfach schauen. Ich muss einfach schauen was ist in meiner Umgebung, da wo ich wohne. Ich muss mir meine Umgebung genau anschauen unter dem Gesichtspunkt, wo sehe ich die wenigste Belastung und dann kann ich dort auch gut sammeln.

Simone: Ja, Jäger und Sammler da kommen wir ja irgendwie auch her.

Jörg: Mehr Sammler als Jäger würde ich mal sagen.

Simone: In dem Fall, ja. Ich glaube es ist auch irgendwie eine große Befriedigung langsam verschiedene Pflanzen kennen zu lernen. Du hast schon ein paar sehr Bekannte genannt. Hast du noch ein paar Beispiele, bei denen man vielleicht ein Aha-Erlebnis hat: „Ach, das meint der Jörg mit Wildkräutern.“

Jörg: Weit verbreitet sind Pflanzen wie Taubnesseln, da gibt es ja verschiedene Sorten, oder Schafgarbe und Spitzwegerich, Breitwegerich. Das sind die weit verbreiteten, die wahrscheinlich jeder kennt.

Aber es gibt natürlich in Mitteleuropa tausende verschiedene Pflanzenarten und fast alle davon sind essbar. Einige Menschen haben Angst vor giftigen Pflanzen, dass man sie verwechseln könnte und aus versehen etwas giftiges essen… Es gibt nur ganz wenige giftige Pflanzen in Mitteleuropa und Gift ist auch relativ, die Dosis macht – wie bei allem – das Gift. Das sind ja auch alles Arzneipflanzen und du kannst von verschiedensten Sachen zu viel nehmen und das ist schlecht für dich. So ist es bei den Giftpflanzen natürlich auch. Du wirst nicht gleich sterben, wenn du mal aus versehen in eine Giftpflanze gebissen hast. Und ich empfehle auch immer, wenn ich Wildkräuter sammel, eine Mischung aus verschiedensten Pflanzen zu sammeln. So dass du nie von einer zuviel dabei haben kannst. Und natürlich ist es gut sich damit vertraut zu machen, mit den giftigen Pflanzen. Aber wie gesagt das ist im Vergleich zu den Pflanzen, die es gibt, nur eine handvoll Pflanzen und in deiner Umgebung wachsen davon vielleicht effektiv nur drei oder vier.

Simone: Ist denn auch der Geschmack von Giftpflanzen etwas das uns warnt? Also ich kenne das von Pilzen und da sagt man eigentlich die meisten Pilze warnen einen auch mit einem ekelhaften Aroma davor sie zu essen.

Jörg: Das stimmt leider nicht. Also bei manchen ist es so, z.B. der Schierling hat ein leicht urinösen Geschmack. Oder manche sind richtig scharf unangenehm, aber es gibt auch andere scharfe Pflanzen. Und es gibt zum Beispiel das Jakobskreuzkraut und das schmeckt super lecker, ich habe das selber schon gegessen, das ist nur in sehr, sehr großen Mengen wirklich schädlich, weil sich der Giftstoff in der Leber anreichert und man muss wirklich sehr, sehr viel davon essen damit die Leber geschädigt wird. Also kann man auch das Jakobskreuzkraut ruhig getrost mal probieren, man sollte es nicht regelmäßig sammeln.

Simone: Ist ja auch ein bisschen wie mit Alkohol, oder? Denke ich gerade bei Jakobskreuzkraut und Leber.

Jörg: Genau, Alkohol zerstört auch die Leber. Bei Jakobskreuzkraut geht es vielleicht ein bisschen schneller als bei Alkohol, aber ist wahrscheinlich im Prinzip der ähnliche Effekt.

Simone: Ja, dann gehen wir mal zu den positiven Wirkungen, jetzt haben wir ein bisschen die Warnungen durch gesprochen. Was ist denn aus deiner Sicht einfach das geniale und gesundheitsfördernde an den Wildkräutern?

Jörg: Dadurch dass die Kräuter nicht von Menschen verändert wurden, gezüchtet wurden, haben sie noch viel mehr Inhaltsstoffe, viel mehr Vitamine, viel mehr Mineralien als unsere Kulturpflanzen. Wenn du unsere Kulturpflanzen nimmst, die wurden im Laufe der Jahrhunderte auf Größe und milden Geschmack gezüchtet. Und dabei sind leider viele von den Inhaltsstoffen, die vielleicht für Bitterkeit zuständig sind, weg gezüchtet worden, die eigentlich gesund für uns sind. Und die Wildkräuter haben alle diese Inhaltsstoffe noch, weil der Menschen nie versucht hat etwas anderes daraus zu züchten.

Simone: Also ein Klassiker wäre jetzt zum Beispiel: Löwenzahn ist relativ bitter vom Blatt her, wenn man den vergleicht mit einem schönen, saftigen, wilden Eisbergsalatblatt.

Jörg: Ja, ich persönlich kann Eisbergsalat eigentlich gar nicht mehr als Nahrung ansehen, weil es ist im Prinzip nur noch schnittfestes Wasser im Vergleich zu Wildkräutern. Also ich werde da schon rein psychologisch überhaupt nicht mehr satt von, von solchen Salaten. Das geht einfach gar nicht mehr. Ich bin dann immer unbefriedigt und denke, ich habe eigentlich gar nichts gegessen. Das ist wie wenn man Weißbrot mit Vollkornbrot vergleicht, das ist im Prinzip der gleiche Effekt.

Simone: Also man müsste sehr viel Eisbergsalat essen, im Vergleich zum Löwenzahn.

Jörg: Glaube ich nicht mal. Es hat einfach weniger Inhaltsstoffe. Es ist hauptsächlich Wasser und Chlorophyll. Und Chlorophyll auch wenig, weil er ist ja schon recht bleich.

Also in den Wildkräutern stecken wirklich viel höhere Mengen an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien, das kann man auch nachlesen. Zum Beispiel hat die Brennnessel 7x mehr Vitamin C als die Zitrone und die meisten Wildkräuter haben mehr Vitamin C als der Rosenkohl, der mir als Kind immer empfohlen wurde als die Vitamin C Quelle. Durch die Bank weg haben die Wildkräuter alle eine viel höhere Konzentrationen an wichtigen Nährstoffen.

Simone: Das heißt du gehst nicht mehr in die Apotheke oder Drogerie und kaufst dir Nahrungsergänzungsmittel?

Jörg: Nein, das habe ich sowieso nie gemacht. Aber der Unterschied ist natürlich, wie mit Pilzen, in den Wildkräutern weißt du natürlich nicht in welcher Dosis, in welcher Menge etwas ist. Das kann natürlich schwanken. Aber natürlich brauchst du diese ganzen Nahrungsergänzungsmittel nicht oder auch andere Super-Foods, die teuer von irgendwoher angekarrt werden, wenn du regelmäßig Wildkräuter isst.

Simone: Kann man sagen, das es eine ausgewogene Mischung ist? Weil über Nahrungs-ergänzungsmittel höre ich immer mal wieder, dass Leute sich da auf einen Zusatz einschießen, meinetwegen Vitamin D, und dann fehlen aber wieder andere Kombinationen um das auch optimal aufnehmen zu können im Körper. Würdest du sagen Wildkräuter bieten schon eine ausgewogene Mischung, die der Stoffwechsel auch wirklich gut umsetzen kann? So dass es nicht ausgeschieden, sondern wirklich aufgenommen wird?

Jörg: Das kann ich jetzt so genau selber gar nicht sagen. Aber für mich macht es Sinn, dass ich Sachen esse die wirklich viele Inhaltsstoffe haben, weil das ist natürlich, das ist von Natur aus so. Sie bietet uns diese Pflanzen an als Nahrung und die haben diese ganzen Inhaltsstoffe und es ist immer seltsam mit sich nur auf einen Stoff zu beziehen. Jetzt nur Kalzium oder nur Vitamin D oder nur dies und das, weil in der Natur findest du diese Stoffe nicht pur. Die sind immer in Kombination mit anderen Stoffen und diese Kombination machen sicherlich auch Wechselwirkungen, die nötig sind in unseren Körper.

Simone: Ja, das klingt für die gesundheitlichen Aspekte total überzeugend. Ist es denn auch lecker?

Jörg: Ja klar, es ist viel leckerer als normaler grüner Salat oder Eisbergsalat. Da braucht man eigentlich immer ein Dressing, die schmecken sonst nach nichts. Und Wildkräuter kannst du auch ohne Dressing gut essen. Also du merkst einfach den Unterschied, der Geschmack ist viel kräftiger und herzhafter im Vergleich zu normalen Salaten, die wir so gewohnt sind.

Simone: Du kennst dich wahrscheinlich auch mit den richtigen Mischung zu jeder Jahreszeit aus, sodass du immer schön ausgewogen sammeln kannst?

Jörg: Ja klar, ich habe mich jetzt jahrelang mit Wildkräutern beschäftigt und kenne mich relativ gut aus, würde ich mal behaupten, und weiß was gut im Salat und was gut im Smoothie schmeckt.

Simone: Ja, ich glaube man braucht schon bisschen Erfahrung, weil ich selber kenne mich nicht so super aus. Und ich habe auch schon etwas gesammelt das dann recht bitter war. Ich glaube Bitterstoffe sind der hauptgewöhnungsbedürftige Effekt am Anfang, wenn man beginnt.

Jörg: Genau, deshalb ist es auch wichtig sich ein bisschen auszukennen, weil es soll ja auch Spaß machen, es soll schmecken. Und natürlich kann ich fast alles essen, aber das es essbar ist heißt ja nicht, dass es auch schmeckt oder schmackhaft ist. Deswegen ist es gut sich ein bisschen auszukennen und zu wissen: „Was ist denn jetzt gut für meinen Salat, damit er nicht zu bitter wird? Und was ist gut für mein Smoothie, damit er nicht zu scharf oder zu kohlig schmeckt?

Simone: Was ich nochmal als Tipp reingeben kann ist erst die Mischung zu versuchen, gezüchtete Salate mit Wildkräutern zu mischen. Dann hat man einen tollen Zusatzgeschmack, aber ist geschmacksmäßig nicht gleich überforder, wenn man ein bisschen zu bitter gesammelt hat. Also ich denke das wäre auch etwas für Anfänger, oder?

Jörg: Ja, das finde ich einen guten Tipp. Denn es ist gerade wichtig für ein Salat eine milde Basis zu schaffen und dann von den würzigeren Kräutern weniger dabei zu haben. Und wenn man noch nicht so viele milde Wildkräuter kennt oder findet, dann ist natürlich gut einfach normalen Salat zu nehmen klar. Aber milde Wildkräuter sind auch immer eine gute Basis für den Salat. Zum Beispiel Vogelmiere, Postelein und Franzosenkraut sind drei Wildkräuter, die sehr mild sind im Geschmack.

Simone: Du hast schon angesprochen im Grunde braucht man weniger von den gezüchteten Pflanzen kaufen oder auch weniger Nahrungsergänzungsmittel. Siehst du es auch als Gegenentwurf zum Kaufen und Konsum, sich die Wildkräuter mehr zu eigen zu machen.

Jörg: Ja natürlich, vorallem weil sie einfach umsonst draußen wachsen. Ich muss mich nur ein bisschen auskennen und ein bisschen Zeit haben. Dann kann ich meine Nahrung umsonst vor der Haustür finden und muss nicht extra viel Geld dafür ausgeben und in Supermarkt gehen. Das ist auf jeden Fall der Hauptvorteil von Wildkräutern. Und sie wachsen immer wieder von alleine nach, ich muss mich nicht darum kümmern, damit sie vor meiner Haustür wachsen, sie wachsen einfach von selber.

Simone: Tun sie das eigentlich auch das ganze Jahr über oder was sind die hauptsächlichen Sammelmonate?

Jörg: Also es gibt Pflanzen, die du auch im Winter finden würdest. Das Problem ist, je nachdem wie begrenzt die Fläche ist die dir zum Sammel zur Verfügung steht, dass die dann auch nicht nachwachsen wenn es kalt ist. Du kannst die zwar beernten, aber es wächst dann nichts nach. Deswegen sind für mich die Hauptmonate in denen ich Wildkräuter sammle und esse von April bis Oktober. Es dauert nach dem Winter eine Weile bis die ersten frischen Triebe groß genug sind, dass ich sie überhaupt beernten kann und im Oktober kommen dann irgendwann die ersten Fröste wieder und dann geht vieles auch kaputt. Und dann ist für mich einfach Winterpause.

Simone: Das heißt mehr als ein halbes Jahr lang kann man sammeln?

Jörg: Sieben Monate im Prinzip, ja.

Simone: Nun ist es vielleicht ein kleiner Widerspruch sich Wildkräuter anzubauen? Andererseits hattest du das als Alternative für städtisches Wohnumfeld genannt. Also ist es vielleicht doch eine gute Idee in der Stadt sich Wildkräuter ranzuziehen?

Jörg: Ja, auf jeden Fall. Wildkräuter heißt nicht, dass sie wild wachsen, sondern dass sie nicht durch uns verändert werden. Und ich verändere sie nicht, indem ich sie einfach aussähen. Ich sorge einfach nur dafür, dass da wo ich sammel wirklich auch mehr Vielfalt ist, die ich dann auch beernten kann. Wenn ich zum Beispiel am Anfang keine so große Vielfalt habe, dann macht es total Sinn sich Saatgut zu besorgen und die Vielfalt zu erhöhen. Und dann wachsen die da trotzdem von sich aus selber weiter. Ich habe einfach einmal etwas ausgesät und kann die nächsten Jahre immer wieder beernten, weil sie einfach von sich aus dableiben. Und wenn sie nicht dableiben dann sind die Bedingungen für diese Pflanze vielleicht einfach nicht gut genug, aber so ist es eben mit Pflanzen. Deswegen ist es auch gut viel auszuprobieren, viel auszusähen und zu gucken was bleibt.

Simone: Und ich denke mal es freuen sich auch alle Insekten, das Bodenleben. Das passt ja auch gut zu diesen wilden Pflanzen.

Jörg: Genau und dann ist es auch egal ob die Schnecken meinen Salat weg essen, weil ich habe sowieso was besseres.

Simone: Dann lass uns als Beispiel nochmal die Brennnessel nehmen, weil das ist ja eine Pflanze die kennt nun wirklich jede*r. Sie nervt einfach manchmal, sie sticht, sie ist unbequem, aber eigentlich ist sie doch eines der vielseitigsten Wildkräuter überhaupt für uns Menschen.

Jörg: Ja, nicht nur für uns Menschen. Ich glaube für über 100 verschiedene Raupen, Schmetterlingsraupen ist die Brennnessel Nahrungsgrundlage. Das ist eine super wichtige Pflanze und für uns natürlich auch. Wie schon erwähnt, die Brennnessel hat sehr viel Vitamin C, was gerade im Frühjahr wichtig ist und früher noch wichtiger war, nach dem Winter wieder Vitamin C zu bekommen. Sie hat aber auch viel Kieselsäure und man kann sie super vielseitig verwenden. Klar piekst sie beim Ernten, aber ich bin mittlerweile dazu übergegangen, auch weil ich für unseren Versand manchmal auch große Mengen ernten muss, dass ich einfach Handschuhe anziehe. Und dann ernte ich die Brennnessel eben mit Handschuhen, ist gar kein Problem. Damit sie dich nicht beim Essen piekst, kannst du sie z.B. als Spinat kochen dann gehen die Brennhaare kaputt und es ist ein super leckerer kräftiger Spinat aus Brennnesseln

Simone: Nimmst du sie einfach wie Spinatblätter? Einfach mit ein bisschen Zwiebeln oder dünsten?

Jörg: Ja, wie auch immer du dein Spinat zubereitest. Brennnessel hat auf jeden Fall ein viel kräftigeren aromatischeren Geschmack als der Spinat, den man kennt. Du kannst sie auch in ein grünen Smoothie tun. Du kannst ja auch Wildkräuter-Smoothies machen.
Smoothies, wer es nicht kennt, sind meist Grünes und Obst mit Wasser vermixt. Ein super leckeres, gesundes Getränk und das kannst du natürlich auch super mit Brennnesseln machen.
Oder was auch sehr lecker ist im Frühjahr einfach ein paar frische Brennnesseltriebe in einen Krug mit frischem kalten Wasser für ein paar Stunden ziehen lassen. Das gibt eine super erfrischende Limo, die interessanterweise vom Geschmack leicht an Melone erinnert.

Simone: Und süßt du das dann noch?

Jörg: Nein ich süße da nicht, aber das kann jeder machen wie er möchte. Beim Smoothie, wenn das Obst nicht süß genug ist, könnte man z.B. noch Rosinen dazu tun. Aber da haben wir alle verschiedene Geschmäcker.

Auf jeden Fall ist die Brennnessel super vielseitig verwendbar und auch sehr gesund und wächst wirklich überall. Also wenn jetzt jemand in seinem Garten eine Brennnessel hat, dann sollte er die möglichst nicht einfach ausreißen und vertreiben, sondern er sollte sich einen Ort erhalten an dem sie einfach wachsen kann. Nicht nur für uns, sondern auch für die Insekten und Schmetterlinge ist die Brennnessel sehr wichtig.

Simone: Was ich an Brennnesseln wirklich toll finde, wenn man die runter schneidet dann kommen die immer frisch nach. Dann hat man immer dieses junge und frische Grün, weil ich meine so eine olle Brennnessel, die da schon ein paar Wochen vor sich hin wächst, will man auch nicht mehr im Spinat haben, die ist nämlich zäh.
Jörg: Ja, das gilt für viele Wildkräuter nicht nur für die Brennnessel. Sie haben sehr kurze Wachstumsperioden, sie wachsen sehr schnell und du kannst sowieso meist nur die obersten zarten Triebe ernten. Weil weiter unten ist es viel zu holzig, das kann man nicht gut kauen.
Wenn die Pflanzen dann zu weit sind, sodass du nicht mehr viel beernten kannst, dann kannst du die meisten einfach wieder runter schneiden und sie kommen frisch wieder nach, das ist das geniale daran. Oder auch wenn du sie beerntest, kommen aus den Blattachseln dann wieder zwei neue Triebe und du kannst beim nächsten Mal die doppelte Menge ernten und so weiter. Du kommst gar nicht hinterher ist meine Erfahrung, es gibt einfach zu viel. Und wenn du es beerntest wird es buschiger und noch mehr und du kommst gar nicht hinterher und du kannst gar nicht alles ernten was wächst.

Simone: Super.

Jörg: Es ist einfach eine ungeheure Vielfalt und es ist einfach Wahnsinn.

Simone: Dann kommt man bestimmt auch noch auf Brennnesseltee und Brennnesseljauche und Brennnessel-, weiß ich nicht, -umschläge.

Jörg: Ja, genau. Es ist wichtig, wenn man Limo macht mit Brennnesseln, dass man die Brennnesseltriebe nach so 4-5 Stunden wieder raus nimmt. Alles was länger als zwölf Stunden im Wasser liegt wird zur Jauche. Das ist dann nicht mehr gut zu trinken, aber man kann es gut als Pflanzendünger verwenden.

Simone: O, ja gut das du es noch sagst.
Jörg: Ja, das ist eine wichtig Zeitgrenze bei der ganzen Geschichte.

Simone: Ich finde es schimmert durch, eigentlich ist es eine ganz einfache Sache mit den Wildkräutern, sehr vielseitig, fast überall kann man etwas mit Wildkräutern machen… und andererseits höre ich schon auch raus: Du hast dich ja seit Jahren damit beschäftigt. Es gehört auch eine ganze Menge Wissen und Erfahrung dazu, um das wirklich vielseitig anwenden zu können, jahreszeitlich sich immer wieder anzupassen und auch je nach Ort flexibel zu sein.

Jörg: Ja das stimmt, aber davon sollten sich die Zuhörer*innen nicht abschrecken lassen. Ich hab ja auch mal klein angefangen und ich gebe allen immer den Tipp fangt klein an. Also jeder kennt vielleicht 2-3 Kräuter sowieso. Fang einfach damit an. Du wirst im Laufe der Zeit immer vielleicht 1-2 Kräuter pro Jahr dazu lernen indem du jemanden triffst der sich auch auskennt oder du liest ein Buch oder siehst ein Fernsehbericht und lass es ruhig in diesem Tempo ganz langsam angehen. Über die Jahre wirst du einfach immer mehr Kräuter kennen und die Vielfalt wird sich erhöhen. Aber du kannst gar nicht am Anfang so viel wissen und dir merken, das ist auch gar nicht nötig.

Simone: Ja, wenn man mal eine große Vielfalt an Kräutern von den Profis gepflückt haben möchte darf man auf deine Webseite gehen.

Jörg: Ja klar, also die Wilde7 versendet seit 2008 Wildkräuter in ganz Deutschland und wir bieten zum Beispiel eine Mischung, auch als wöchentliches Abo, an. Da sind dann mindestens 20-30 verschiedene Kräuter drin. Wir bieten aber auch einzelne Kräuter an, so wie Brennnessel und Löwenzahn zum Beispiel. Und die Mischung variiert natürlich je nach Jahreszeit. Im Frühjahr sind ein bisschen andere Kräuter drin als im Herbst, aber es sind immer 20-30 Verschiedene.

Simone: Da kann man sich umschauen auf deiner Seite, es gibt auch zu den Kräutern immer ein paar Infos dazu und es erschließt sich auf jeden Fall so die ganze Welt der Wildkräuter.
Alles was ihr sammelt ist zumindest hier am Standort Sieben Linden frei von Schadstoffen und so weiter. Das ist natürlich ein großer Vorteil, das wir hier vor Ort einfach dieses Umfeld haben.

Jörg: Ja, einen besseren Ort als Sieben Linden für so einen Wildkräuterversand kann ich mir gar nicht vorstellen, weil wir haben hier mehrere Hektar ökologisch bewirtschaftetes Gartengelände mit verschiedensten Biotopen: trocken, feucht, schattig, sonnig, verschiedenen Bodenarten.
Wir haben hier wirklich eine ungeheure Vielfalt, die man natürlich nicht überall so vorfindet. Wir können hier 60-70 verschiedene Pflanzen sammeln.

Simone: Also wir gegeben jetzt als ersten Hinweis raus: geht sammeln, schaut euch die Natur um euch an, findet Plätze wo ihr das einfach umsetzen könnt. Aber bevor du auf die Idee kommst dir irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen, gehe lieber mal auf der Seite der Wilden 7 gucken. Aber wenn du selber mehr lernen möchtest über Wildkräuter und über das Sammeln, dann empfehle ich dir Jörgs Online-Bildungskurs. Den haben wir jetzt ganz frisch aufgesetzt, einfach um mehr Menschen zu ermutigen sich diesem Thema mal zu widmen. Auf www.siebenlinden.org findest du die gesammelten Kurse. Die demnächst rauskommen werden.
Ja und in diesem Sinne einen guten Start ins Frühjahr wünsche ich allen, eine grüne Zeit und dir Jörg, du startest jetzt bald in die Saison?

Jörg: Ja, nach Ostern geht es hoffentlich wieder los…

Simone: mit der Wilden 7.

Jörg & Simone: Tschüss.

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