Lesung

Auf’s Land: Ernst Paul Dörfler stellt sein neustes Buch vor.

Am 3.4. 2022, beim ersten Sonntagscafé im Ökodorf Sieben Linden nach langer CoViD-Pause traf ein ganz besonderer Gast ein: Ernst Paul Dörfler, schon zu DDR-Zeiten ein konsequenter und umbequemer Naturschützer und Autor, stellte sein neustes Buch „Auf’s Land“ vor.

Manchen früheren DDR-Bürgern ist noch die Sensation in Erinnerung, als das erste Buch Dörfler’s 1986 erschien. Sein Buch „Zurück zur Natur?“ verbreitete kritische Inhalte, die sonst in der DDR selten publiziert wurden. Von den offiziellen Medien totgeschwiegen verbreitete sich dieses Buch durch Mundpropaganda jedoch in Windeseile.

Die Besucher dieser Buchlesung erfuhren auch den Hintergrund dieser zu DDR-Zeiten ungewohnt kritischen Veröffentlichung: Dörfler hatte zwei Versionen geschrieben, eine „systemkompatible“ und die Version, die veröffentlicht wurde. Für die systemkompatible Version gab es dann eine offizielle Druckfreigabe der entsprechenden Behörden, und ein Mitarbeiter des Verlages tauschte dann bei der Übergabe zum Druck bewusst den Inhalt der freigegebenen Variante gegen den ursprünglichen, kritischen Inhalt aus. Ein mutiger Schritt!

Derartige Schritte muss Dörfler heute nicht mehr gehen, um seine Bücher zu veröffentlichen, sie werden gerne veröffentlicht, obwohl sie nicht minder kritisch sind. In seinem neusten Buch „Auf’s Land“ prangert Dörfler die Fixierung der heutigen Gesellschaft auf die Städte an und zeigt auf, welche Bedeutung das Land und das Landleben für die Zukunft der Gesellschaft hat.

Nicht nur, dass die ländlichen Gegenden die Menschen ernähren, sie bieten auch die Basis für die Lösung vieler aktueller Probleme unserer Zeit. Unterhaltsam, mit Anekdoten aus seiner Jugend und aus seinem aktuellen Engagement gespickt zeigte Dörfler auf, welche Perspektiven das Landleben bietet: Er erzählte von der Gesundheit der Kinder, die im Kuhstall aufwachsen, und von „Kuhstallpillen“, die diese Qualität einer Vorbeugung gegen Allergien durch Tabletten imitieren.

Dörfler brach eine Lanze für den Ländlichen Raum als wesentlichen Faktor im Kampf gegen den Klimawandel: Das Trockenlegen von Mooren hat viel CO2 freigesetzt, umgekehrt kann durch die Wieder-Vernässung auch viel CO2 gebunden werden!

Auch im Energiebereich bietet sich der Ländliche Raum als Energieproduzent an: Dörfler favorisiert jedoch keine Biogasanlagen, für die mit viel Energieaufwand, Düngemitteleinsatz und Monokulturen Futter angebaut werden muss, sondern sieht eine Lösung in Windkraftanlagen und großflächigen Photovoltaikanlagen – natürlich in Kombination mit weiterentwickelten Speichermöglichkeiten.

Den kritischen Fragen und Kommentaren aus dem Publikum antwortete er gelassen und mit fundierten Zahlen: „Ja, es sterben Vögel durch ‚Vogelschlag‘ an Windrädern. Es gibt jetzt eine neue Studie, in der 6.000 Rotmilane mit Sendern versehen wurden, so dass festgestellt werden konnte, wenn sie verendeten – wenn längere Zeit der Sender sich nicht mehr bewegte, wurde der Rotmilan gesucht und untersucht, woran er gestorben ist. Das Ergebnis: von allen im Untersuchungszeitraum gestorbenen Rotmilanen sind nur wenige durch Windräder gestorben – deutlich mehr sterben durch Fressfeinde, vergiftete Ratten und Mäuse, Stromschlag an Stromleitungen, Kollision mit Autos, Zügen oder durch illegalen Abschuss. Und de facto wachsen Rotmilanpopulationen auch in Gegenden, in denen es Windkraftanlagen gibt.“

Auch dem Argument, dass landwirtschaftliche Flächen nicht für Photovoltaik genutzt werden sollten, begegnete er mit klaren Zahlen: „Photovoltaik auf dem Acker produziert auf einer Ackerfläche von nur 3 Hektar soviel Strom wie eine Biogasanlage mit der Biomasse, die auf 100 Hektar angebaut wird. Und unter den Photovoltaikanlagen kann sich der Boden von der jahrzehntelangen Behandlung mit Ackergiften erholen sowie biologische Vielfalt mit Blühwiesen und einem Insektenreichtum entfalten. Auf einem Maisacker für eine Biogasanlage gibt es keine ökologische Vielfalt. Natürlich können wir uns auch dafür entscheiden, ganz ohne Strom, Öl und Gas zu leben, aber wenn wir diese Energien nutzen, müssen sie irgendwoher kommen, und da ist Photovoltaik auch auf Ackerflächen mit schlechten Bodenpunkten eine sinnvolle Lösung. Und sie sorgt gleichzeitig für zusätzliches Einkommen für die Landwirtschaftsbetriebe.“

So bot die Buchlesung, kombiniert mit dem breiten Wissen des promovierten Öko-Chemikers zu allen Umweltthemen, den Rahmen für einen bewegten Austausch über aktuelle politische Fragen, der von den Teilnehmenden gerne angenommen wurde und „Lust auf mehr“ machte. Das zeigte sich im langen Schlussapplaus und der Tatsache, wie sich die Menschen nach der Veranstaltung auch um den Büchertisch mit Dörfler’s Büchern drängte.

Dörfler, ErnstPaul: Auf’s Land. Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang. Hanser, München 2021

Das könnte Dich auch interessieren...