Energieversorgung im Ökodorf Sieben Linden – wie macht ihr das?

Unser Energie-Experte Werner zieht Bilanz (nicht nur) für das Ökodorf

Sieben Linden setzte von Anfang an auf regenerative, lokale Lösungen. Werner Dyck ist seit 25 Jahren der Energieexperte in Sieben Linden – der Ingenieur, der unser Ökodorf-Energiekonzept maßgeblich geprägt hat. Er buddelte zahllose Gräben für unsere Leitungen, installierte die Haustechnik in den Strohballenhäusern und aktuell macht er sich Gedanken über Sinn und Unsinn der Elektromobilität. Hier ein aktueller Artikel von ihm. 

Was können wir tun, um unsere Energiekonzept noch stärker in eine ökologische Richtung zu entwickeln? Der aktuelle technische Energieverbrauch in Sieben Linden pro Bewohner:in lässt sich grob so darstellen (die einzelnen Werte sind gerundet):

Brennholz aus den eigenen Wäldern heizt die Häuser

Heizen zieht trotz unserer Beschränkung auf ca. 32m² Wohnfläche pro Bewohner:in und trotz unserer relativ gut gedämmten Häuser den größten Energieverbrauch nach sich – und dazu noch konzentriert im Winter. 1m³ Holz wird in den neueren Strohballenhäusern pro Person und Jahr derzeit verbraucht. Wir heizen bisher grundsätzlich mit Stückholz aus dem eigenen Wald. Holz galt bisher als weitestgehend CO2 neutral , solange wir dem Wald nur soviel entnehmen wie nachwächst. Wir können uns damit gut selbst versorgen und dadurch einigermaßen krisenunabhängig sein. 

Besser ist es jedoch, Holz nicht zu verbrennen, sondern den Wald als CO2 Speicher unangetastet zu lassen oder Holz als CO2 Speicher zu verbauen.

Was könnte den Brennholzverbrauch in Sieben Linden reduzieren? 

  • Kompakte,  größere, passiv sonnenenergienutzende Häuser       
  • noch bessere Wärmedämmung         
  • mehr und winterausgerichtete Sonnenkollektoren (in den Übergangszeiten tragen unsere Sonnenkollektoren jetzt schon zum Heizen bei.)         
  • größere Wärmespeicher         
  • weniger Bauwägen (d.h. mehr Wohnraum in Häusern schaffen).           

Sind elektrische Wärmepumpen eine Lösung für das Ökodorf? 

Zur Zeit ist bei uns eine elektrische Wärmepumpe für den nächsten Neubau ein Thema. Je nach Ausführung wird mit der Wärmepumpe aus 1kWh Strom 2 bis 5kWh nutzbare Wärme erzeugt. Um 1m³ Brennholz zu ersetzen bräuchte es dann ca. 400kWh Strom zusätzlich pro Person und Jahr. Im Winterhalbjahr stiege dann der Stromverbrauch im Haus pro Bewohner:in von ca. 200kWh auf 600kWh.

Wärmepumpen und Kühlschränke funktionieren wie eine Luftpumpe. Wenn mit der Pumpe Luft komprimiert wird, wird die Luft um einiges wärmer. Diese komprimierte, warme Luft wird bei der Wärmepumpe zum Heizen genutzt bzw. fällt im Kühlschrank auf dem rückseitigen Wärmetauscher als Abwärme an. Dabei kühlt die noch komprimierte Luft ab. Wenn die komprimierte, aber abgekühlte Luft wieder entspannt wird, wird sie sehr kalt. Das Entspannen geschieht in einem zweiten Wärmetauscher z.B. im Gefrierfach. Die entspannte, sehr kalte Luft nimmt dabei wieder Wärme aus der Umgebung des zweiten Wärmetauschers auf. Statt Luft werden wegen der Effektivität Kältemittel wie FCKW`s oder Propan verwendet. Der Stromverbrauch ist umso geringer, je geringer der Temperaturdifferenz zwischen den beiden Wärmetauschern sein muss.

Um den Stromverbrauch niedrig zu halten bräuchte es: 

  • möglichst große Heizflächen (Boden, Wand, Deckenheizungen) im gut gedämmten Haus, um mit einer geringen Heizungswassertemperatur auszukommen.         
  • möglichst hohe nutzbare Umgebungstemperaturen an Luft-, Sonne-, Erdkollektor, Grund-, Regen- oder Abwasserwärmetauscher.

Der Strom muss in der Winterzeit produziert werden durch mehr Windkraftanlagen und Speichertechnologie. Photovoltaik bringt im Winter zu wenig.

Betrachtet werden müsste auch die Gesamt-Ökobilanz – auch von dem verwendeten Kältemittel. Die höhere Abhängigkeit vom Stromnetz ist ein weiterer Faktor. 

Eine Gesamt-Ökobilanz für unsere Häuser zu erstellen und zu bewerten haben wir noch nicht geschafft. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB: https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/startseite/startseite-node.htmll

) versucht mit der www.oekobaudat.de Grundlagen dafür zu schaffen.

Wie sieht es mit der Energie für Warmwasser in Sieben Linden aus? 

Warmwasser und Heizen ist in unseren Häusern durch den gemeinsamen Speicher mit meist integrierten Wärmetauschern nicht voneinander getrennt. Der Speicher wird in der wärmeren Jahreszeit von den Sonnenkollektoren auf Temperatur gehalten. Wenn die Sonne dass nicht mehr schafft, müssen wir mit Holz nachheizen. In den Übergangszeiten heizt auch die Sonne die Wohnräume mit: umso mehr, je größer der Kollektor ist und je mehr er nach der tiefstehenden Wintersonne ausgerichtet ist. Im Winter kommt auch die Warmwasserwärme von der Holzverbrennung. Bilanzierend kann man aber sagen, dass unsere Warmwasserwärme von der Sonne und die Heizwärme vom Holz kommt. Die Kombination Speicher, Sonnenkollektoren und Stückholzkessel hat sich bei uns gut bewährt.

Zwiespalt E-Mobilität

Kraftfahrzeuge sind bei uns ähnlich hohe Energieverbraucher wie das Heizen.

Es gab mal vorübergehend zwei Autos mit Rapsöl-Verbrenner-Motoren. Aber diese haben sich nicht bewährt und uns wurde klar, dass der Ackerflächenverbrauch durch Rapsöl-Produktion viel zu hoch ist. 

Lange Zeit haben wir uns wegen der Speicher-, Rohstoff-, Umwelt- und Menschenrechts-Problematiken nicht an Elektrofahrzeuge gewagt und sind auch noch immer zwiespältig. Das Konzept für E-Mobilität in Sieben Linden ist in Diskussion. Praktisch wurde gerade ein Anfang gemacht. Vier eigene E-Fahrzeuge laden hier schon regelmäßig Strom. Immer öfter kommen Gäste mit E-Fahrzeuge. Für die gibt es jetzt eine eigene 22kW Ladebox mit 2 Stellplätzen.  

Zusammen mit noch mehr Windkraft-, Photovoltaik und Wasserstoffanlagen könnte E-Mobilität den Verkehr ökologischer machen?

Ein Elektro-Auto verbraucht ca. 15kWh Strom pro 100km. Bei 20km pro Tag pro Bewohner = 6000 km pro Jahr verbraucht ein E-Auto dann 900kWh Strom pro Jahr. Also mehr als wir jetzt pro Bewohner:in im Ökodorf für Licht, Kraft, Waschen, Kühlen, IT verbrauchen! Sollten eines Tages nur noch E-Autos auf unserem Parkplatz stehen, wird da wahrscheinlich mehr Strom verbraucht als im ganzen Rest des Ökodorfes (ohne Wärmepumpen). 

Wir kochen mit Propangas – hat das Zukunft? 

Theoretisch gibt es im Ökodorf genug organische „Abfälle“ um Biogas zum Kochen zu produzieren. Praktisch haben wir das aber trotz unserem Versuch mit einer Mini-Biogasanlage noch nicht ansatzweise hin bekommen.

Wir könnten auch elektrisch kochen. Der Stromverbrauch ist relativ zu Wärmepumpen und E-Autos gering; aber die Stromverbrauchsspitzen in der Mittagszeit würden das Stromnetz sehr belasten und es bräuchte evtl. dickere Kabel.

Stromverbrauch und Stromproduktion in Sieben Linden

Unser bisheriger Stromverbrauch für Licht, Kraft, Waschen, Kühlen, IT beträgt im ganzen Dorf pro Bewohner 600kWh pro Jahr. Weil wir kaum Elektroheizungen, elektrische Warmwasserbereiter und keine Elektro-Herde haben, ist unser Stromverbrauch im Verhältnis zum bundesdeutschen Durchschnitt für Haushalt und Kleingewerbe relativ gering. In der Jahressumme produzieren unsere PV-Anlagen zur Zeit ca. 45% unseres Stromverbrauchs. 

Strom im Ökodorf: Wo führt das hin? 

Wir wollen uns weiterentwickeln und diskutieren derzeit vielfältig. Im Gespräch sind…      

  • ein  Stromspeicher zur Speicherung von Überschussstrom von der Sonne oder Starkwind für die Nacht oder Windflautenzeiten         
  • weitere  PV-Anlagen         
  • eine Kleinwindanlage (bis 50m hoch)

Durch die jetzt auch politisch gewollten E-Autos kann sich unser Stromverbrauch in Sieben Linden verdoppeln. Wenn wir jetzt auch noch die politisch geförderten E-Wärmepumpen einführen, erhöht das nochmal sehr unseren Stromverbrauch im Winter. Wir können auch noch E-Herde anschaffen und uns total abhängig vom Strom machen. Aber Diversifizierung war in Krisenzeiten immer vorteilhaft.

Strom bundesweit: Wo führt das hin? 

In der nächsten Grafik ist der Stromverbrauch (rote Kurve oben) und die erneuerbare Stromerzeugung imdeutschen Stromnetz im letzten Winter dargestellt. 

https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/power_generation/01.11.2021/28.02.2022/today/

Die Differenz zwischen Stromverbrauch und erneuerbarem Strom kommt von Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken (weil die Erneuerbaren und Speicher nicht mehr geliefert haben). Der Stromverbrauch wird sich bundesweit durch den E-Auto- und Wärmepumpen-Boom und durch die Wasserstoffproduktion für die Grundstoffindustrie wesentlich erhöhen. Doch Kohle-, Gas- und Atomkraft sollen in den nächsten 25 Jahren abgeschafft sein.

Es ist ersichtlich, dass es viel mehr Windkraft-, Photovoltaik- und Speicheranlagen hierzulande braucht – oder wir bleiben in Abhängigkeit von oft zweifelhaften Regimen. Bezüglich Rohstoffe-Lieferungen und Elektronik-Importen ist Deutschland sowieso schon sehr abhängig.

Klimakollaps und Wasserhaushalt – jetzt Energieverbrauch reduzieren

Das wir gegen den Klimakollaps was tun müssen, ist uns fast allen bewusst. 

Mir ist das vor allem an unserem Bewässerungswasser-Verbrauch in den drei trockenen Jahren 2018 bis 2020 bewusst geworden. Im Garten wurde dreimal mehr Bewässerungswasser verwendet, nur um die Regenwassermenge auszugleichen, die weniger auf unsere Gemüsegartenbaufläche gefallen ist. Tendenziell ist der Grundwasserspiegel in ganz Deutschland gesunken, was vor allem den Bäumen zu schaffen macht. Und wie ist das in den Ländern, die eh schon immer trockener waren und wo oft über Jahre kein Regen mehr kommt? Leben und Lebensmittel brauchen Wasser! Die europäischen Länder haben mit dem exorbitanten CO2 – Ausstoß angefangen und müssten jetzt auch als erste wieder davon wegkommen.

Wir sollten den äußeren Energieverbrauch reduzieren und uns mehr der inneren “Freien” Energie zuwenden. 

Werner Dyck

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