Ökodorf Sieben Linden Podcast

Erntezeit! Wie lagert man Gemüse über den Winter ein, wenn es keinen geeigneten Keller dafür gibt? Vor dieser Frage steht unsere Sieben Linden-Gartenbetrieb seit Jahren. Antwort: In einem neuen Strohballen-Lagerhaus! Das gerade fertiggestellte „Gemüse-Strohtel“ ist das neueste Experiment im Ökodorf. Die Baumaterialien sind im wesentlichen Holz aus unserem Wald und Strohballen von unserem Acker – regionaler und CO2-neutraler geht es nicht. Das Gemüse-Strohtel soll weitgehend ohne Strom funktionieren und es basiert auf der dämmenden Wirkung der dicken Strohballen. Die Ernte kann starten! Kürbis, Karotten, rote Beete, Sellerie und vieles mehr wird vom Acker geholt. Burkhard Kayser, unser Gärtnerei-Berater hat die neue Lagerungs-Idee in die Köpfe des Gartenteams gepflanzt und fiebert mit uns diesem ersten Winter entgegen.

Burkhard Kayser. Beratung für nachhaltige Landnutzung, Permakultur, Agroforstsysteme und Projektentwicklung http://www.BurkhardKayser.de

Autorin: Simone Britsch
Mail: podcast@siebenlinden.org
Interviewpartner:innen: Lorena Castro, Burkhard Kayser

Veröffentlicht unter der Creative Commons (CC BY 4.0),
Copyright Freundeskreis Ökodorf e.V., 23.9.2023

Der Podcast zum Lesen:

Simone: Die Erntezeit startet, doch wie lagert man diese Berge an Karotten, Sellerie, rote Beete und so weiter über den Winter ein, wenn es keinen geeigneten Keller dafür gibt? Vor dieser Frage steht unser Sieben Linden Gartenbetrieb seit Jahren. Antwort: in einem neuen Strohballenlager natürlich. Das gerade fertiggestellte Gemüse-Strohtel ist das neuste Experiment hier im Ökodorf. Ich rede mit Lorena aus dem Gartenteam und mit Burkhard Kayser, unserem Gärtnereiberater aus Minden, der uns diese, vielleicht gar nicht so verrückte Idee, in unsere Köpfe gepflanzt hat. 

Simone: Hallo Lorena. 

Lorena: Hallo Simone. 

Simone: Du bist ja schon eine mehrfache Interviewpartnerin von mir. Die Lorena aus dem Gartenteam. Heute sind wir aber an einem ganz speziellen Ort hier verabredet für diesen Podcast. Wir sitzen im neuen Gemüsestrohtel. 

Lorena: Ja, ein neuer Ort im Garten. Ich bin sehr gespannt, ich habe mich hier noch gar nicht gewöhnt an diesem Ort. 

Simone: Es ist ein Gebäude, das jetzt gerade im September fertig geworden ist und zwar ein Strohballenhaus, das unverputzt ist. Was würdest du sagen von der Größe her? Lass uns mal schätzen. 

Lorena: Es ist so 8 mal 10 m im Innenraum ungefähr, was ist das, 80 Quadratmeter. 

Simone: So ein Stockwerk nur hoch, also eingeschossig. Und witzigerweise sieht es ja innen drin anders aus als unsere anderen Strohballenhäuser, das ist nämlich nicht verputzt. 

Lorena: Genau, es gibt ja einfach ein feines Netz zwischen den Strohballen und uns sozusagen, aber sonst gibt es keine Lehmwand. Aber das ist auch nur, weil es irgendwie ein provisorisches Experiment ist. 

Simone: Ja, es ist ein Experiment im Garten. Und zwar für die Lagerung. Wir wollen hier keine Menschen unterbringen, die schlafen bei uns im Strohtel. Das ist das Gemüse Strohtel für Gemüse und total neue Idee für die Winterlagerung. Ich finde, wir sollten auch erwähnen, dass die Materialien wirklich super regional sind. Also das Holz ist aus dem eigenen Wald und das Stroh aus unserem eigenen Acker. Ja genau, das hat der Apenburger Landwirt Wahlich für uns angebaut und geerntet und zu großen Strohballen gepresst. Das ist schon sehr faszinierend, finde ich, wie schnell hier so ein, ja doch, einfaches Gebäude erstellt wurde, mit groben Balken und… – 

Lorena: Ja, keine Fenster. Für mich ist das auch so ein komisches Gebäude deswegen. Also es fühlt sich voll anders an, weil es wirklich nur das Licht von der Tür gibt.

Simone: Ist ein bisschen so ein Bunkergefühl. Der Boden ist auch nicht richtig versiegelt, sondern ist einfach so ein Schotter reingekippt worden. Ja, warum Gemüse hier lagern? Erzähl uns die Story. 

Lorena: Tja, weil wir wollen so viel wie möglich von unseren eigenen Gemüse selbst produzieren und dazu gehört es in Deutschland auch das zu lagern im Winter. Und ich bin hier nicht so lang, aber ich glaube am Anfang vom Projekt gab es noch die Möglichkeit im Keller das Gemüse ein bisschen besser zu lagern. Aber mittlerweile sind die Keller immer so warm, vor allem im Frühjahr. Und deswegen gibt es seit einigen Jahren immer wieder die Problematik, dass es im Frühjahr keine optimale Lagermöglichkeit gibt. Und wir haben jetzt schon verschiedene ausprobiert und haben aber auch nichts besonders professionell oder so etwas, was uns wirklich überzeugt hat bisher. Deswegen probieren wir jetzt diese Variante. 

Simone: Ja, die Stufe davor, also ich erinnere mich noch gut, dass wir früher immer so große Sandmieten hatten in unserem Altbaukeller. Wir haben nur einen Altbau in Sieben Linden, ja, also nur einen Keller. Und das hat tatsächlich früher ganz gut funktioniert. Es ist wärmer geworden, die Durchschnittstemperaturen steigen. Und dann habt ihr ja jetzt als letzten versucht die letzten drei Winter, glaube ich, mit diesem super hässlichen weißen Kühlcontainer verbracht. Erzähl uns mal was darüber. 

Lorena: Genau, es ist ein Container, der eigentlich für den Transport von Lebensmitteln gedacht ist und deswegen ist es nicht geeignet für Dauerlagerung. Und wir haben verschiedene Varianten ausprobiert. Also erstmal mit einer Eco-Variante. Also man kann das mit verschiedenen Variationen umschalten und anschalten. Und dann gab es immer wieder Probleme mit der Luftfeuchtigkeit drin. Erstmal war es zu trocken, dann zu feucht. Also es hatte immer irgendwie nicht perfekt gepasst. Und es ist auch gar nicht groß genug für unsere ganze Ernte. Also dieser Raum hier ist wesentlich größer als unser Kühlcontainer. Genau, und deswegen waren wir nicht wirklich auch mit der Variante zufrieden. Also ich glaube, man könnte auch, also in dem Kühlcontainer könnte man auf den Boden Wasser reinkippen, um die Luftfeuchtigkeit auf dem besten Niveau zu halten. Aber dafür braucht man viel zu viel Strom. Und das ist dann auch für uns nicht so wirklich ökologisch. 

Simone: Ja, der surrt und brummt da ja auch immer wo sich hin und steht so weiß und hässlich bei uns im Garten. Also ehrlich gesagt, wenn man den irgendwann nicht mehr bräuchte, wäre ja keiner traurig. Also dieses Gebäude hier, das hat einfach eine andere Ökobilanz, eine andere Nachhaltigkeit. Das merkt man schon, wenn man einfach mal hingeht und mit eigenen Augen guckt. Deswegen finde ich das so toll, dass ihr dieses Experiment macht und ja gar nicht wisst, ob es klappt, oder? Die Ernte steht jetzt kurz bevor. Was hast du für ein Gefühl? 

Lorena: Ja, also ich hoffe, dass wir einen kalten Winter haben. 

Simone: Und das sagst du, obwohl du aus Mexiko kommst. Wir wünschen dir einen kalten Winter. 

Lorena: Ja, denn dieses Kühlsystem hier beruht wohl wesentlich auf der Außentemperatur. Es sind einfach mega dicke Wände. Also die sind ja hier über einen Meter, naja, oder so rund einen Meter, wenn ich mal hier so hingucke, dick. Es ist auch Stroh oben auf dem Dach als dicke Strohballen-Dämmungsschicht eingezogen. 

Simone: Also das ist schon ordentlich isoliert. Dann gibt es noch eine Lüftung, oder? Da hinten. Aber wir beide sind jetzt auch nicht so die Technikexperten, glaube ich, oder? Ich werde nachher noch mal den Burkhard Kayser zuschalten. Das ist derjenige, der dieses Gebäude sich ausgedacht hat. Und von dir würde ich gerne noch wissen, was wird denn eigentlich genau hier eingelagert? Also sind das jetzt so Sachen wie Kohl und Kürbis? 

Lorena: Also ich glaube, dieses Jahr werden wir mit alles, also in kleinen Mengen ausprobieren. Also einige von unseren Möhren, einige von unseren Kohl, Rote Beete, alles. Nur unsere Kartoffeln sind woanders gelagert dieses Jahr. Und wir werden dann schauen, was sich am besten sich lagert und dann nächstes Jahr können wir vielleicht besser entscheiden, welche Kulturen gut für diesen Ort geeignet sind und welche brauchen doch was anderes. Also weil es gibt auch das andere Problem, zum Beispiel für die Kürbisse, wenn es doch ein richtig kalter Winter ist, dann ist es wahrscheinlich zu kalt. Man kann das nicht runterkühlen, aber man kann das auch nicht heizen, wenn es, keine Ahnung, -20 Grad draußen gibt oder so. Deswegen müssen wir auch schauen, was wirklich möglich ist hier zu lagern und was nicht.

Simone: Wer braucht was? Auch die Luftfeuchtigkeit ist vielleicht verschieden für Kartoffeln, die anders gelagert werden, als ein Weißkohl, könnte ich mir vorstellen. 

Lorena: Ja, genau. Es ist immer die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur. Also eigentlich so die perfekte Lagerung ist bei fast jeder Kultur anders. Weil man kann das natürlich so grob gruppieren in verschiedene Gruppen.

Simone: Ja, voll super, dass ihr da so detaillierte Vorstellungen irgendwie versucht, in dieses eine Gebäude hier reinzusetzen. Vielleicht kann man noch mit oben lagern und unten lagern etwas variieren. oder? 

Lorena: Ja, man wird das rausfinden. 

Simone: Und weißt du was? Wenn das alles nichts wird, hier könnte man doch auch ein Tonstudio einrichten, oder? Das ist so dermaßen gut akustisch. Oder so ein Disco-Bunker im Stroh, das kann man bestimmt gut vermieten. 

Lorena: Für die Jugendlichen im Sommercamp. 

Simone: Ja, genau. Ja, Mensch, dann danke und ich wünsche euch eine ganz tolle Erntezeit. Ja, ist das hier alles trocken und ja, mit möglichst wenig Schäden durch irgendwelche knabbernden Tierchen und so schon mal hier reinkriegt. 

Lorena: Ja, danke schön. 

Simone: Wir werden im Frühling voneinander hören, da werden wir das auswerten. Ja, wie gesagt, der Burkhardt ist jetzt zugeschaltet. Wir haben uns hier mal über eine kleine Videokonferenz vernetzt. Hallo Burkhard.

Im Gespräch mit unserem Berater Burkhard Kayser

Burkhard: Hallo Simone. 

Simone: Von wo sprichst du gerade mit uns? 

Burkhard: Aus meinem Büro, ganz einfach. 

Simone: Und wo ist das? 

Burkhard: Das ist in Minden, Westfalen. Also von euch aus, Entfernung weiß ich gar nicht, gut 120 Kilometer oder irgendwie sowas. Westlich von Hannover, wo ich lebe. Und wo sozusagen auch die Idee für dieses Gemüse-Strohtel, wie ihr es nennt, sozusagen entstanden ist. Und der erste Prototyp stand. Ich kann dir auf jeden Fall berichten. 

Simone: Lorena und ich waren vorhin vor Ort. Es ist grandios geworden. Ein sehr wundersames Gebäude aus lauter Strohballen und dunkel ohne Fenster. Spannend anzugucken und ich hoffe, du kommst auch bald mal und schaust es dir an. Aber jetzt erzähl uns doch erstmal, du bist ja auch unser Gartenberater. Du hast ja viel mit den Menschen im Gartenteam darüber gesprochen, wie der Sieben Linden Garten optimiert werden kann und jetzt hast du die Idee noch mit reingegeben. Wie kam es denn dazu? 

Burkhard: Ja genau, ich bin ja damals eingeladen worden, ihr sagt Garten noch, sozusagen ich würde sagen Gärtnerei, denn ihr seid schon in der Größe einer Gärtnerei, die halt tatsächlich sehr gut produziert, die zu beraten und da sind natürlich verschiedenste Themen aufgetaucht und eins der Themen, was immer wieder auftaucht, war die Gemüselagerung. Vielleicht hast du dich mit Lorena schon darüber unterhalten, dass die Gemüselagerung bisher keinen optimalen Raum bei euch hatte. Keller glaube ich zu warm war und ähnliches.

Und so ist mir das Thema immer wieder begegnet, dass die Lagerung ausmacht. Und da Sieben Linden ja grundsätzlich sehr großen Wert darauf legt, wie ich selber auch, dass die Dinge auch ohne großen Aufwand und ohne großen Energieerzeugung funktionieren, ja bin ich halt auf diese Idee gekommen. Die Alternative wäre sicherlich ein Erdkeller gewesen, der aber vom finanziellen Aufwand sehr groß ist und zumal eben in der Größenordnung, die für euch ja nicht nur einen kleinen Erdkeller bedeuten würde, sondern etwas größeren. Das war finanziell und von Räumlichkeiten, Baukapazitäten und so im Moment nicht absehbar. Ja, und so sind wir darauf gekommen. 

Simone: So, da bist du also zum Strohballenbau gegangen. Da sind wir ja auch schon lange unterwegs. Wie bist du denn darauf gekommen, auch für das Gemüse den Baustoff Stroh mit ins Spiel zu bringen? 

Burkhard: Ja, wie ich darauf gekommen bin, ist natürlich auch ein Stück weit mit euch in Zusammenhang, dass ihr eben Strohballenerfahrung habt. Aber das erste Strohballengebäude selber habe ich in den 90er Jahren, Anfang der 90er Jahre, auf dem ‚Le Cun du Larzac‘ in Südfrankreich gesehen. Das war das erste, ‚la Maison de Paille‘, war das erste neue Strohballengebäude aus den 80er, 70er, 80er Jahren in Europa. Mein Bruder hat dort gearbeitet und da bin ich mit dem Strohballenbau das erste Mal vertraut gewesen. Später über die Permakultur, Leute, die ausprobiert haben und dann natürlich eben bei euch in der Praxis gesehen. Das fand ich einen interessanten Baustoff, weil ich eben natürlich in der Landwirtschaft auch beratend und praktisch tätig bin und weil es eben diese Verfügbarkeit halt auch bedeutet, da ist.

Und das zweite war dann eben in den 90er Jahren in einer Zeitschrift, ich glaube es war „Natürlich Gärtnern“, ein Zitat eines Artikels aus den 50er Jahren, wo mit Strohballen die Wintermieten abgedeckt wurden. Dass Wintermieten in der Erde gelagert werden und mit Stroh abgedeckt werden, war damals schon Praxis. Das heißt, dass Stroh eine dämmende Wirkung hat war bekannt, aber es waren temporäre Bauten, die von einer Seite nur quasi angeknabbert wurden und man hoffte darauf, dass was das am Ende liegt, sozusagen noch eine gute Qualität hat.

Dazu kam natürlich sicherlich das Mäuseproblem, was eben halt auch da war, die eben da reingegangen sind. Und so fehlte eigentlich sozusagen ein kleiner Baustein. Von diesem man baut das, man schüttet Strohlose drüber und deckt das ganze wasserdicht ab. Dann hatten sie angefangen mit Strohballen das ganze abzudichten. Aber das war immer noch kein Bau. Und irgendwann merkte ich so, ja, dann würde ich sozusagen da doch einen Bau draus machen, der ganz einfach gemacht ist, so wie bei euch, aber eben ohne Fenster. Eine Tür braucht man, um rein und raus zu kommen, der aber mindestens Stehhöhe hat und die Vorteile bietet, die eben Stroh hat, das Ganze eben die Außentemperatur abzupuffern gegenüber dem Innenraum. Und gleichzeitig Feuchtigkeitsausgleich zu schaffen. 

Simone: Ja, also es sieht eben sehr robust aus, wenn man die Strohballen eben als Wände sieht und die sind überzogen mit dem Maschendraht. Das ist gegen die Knabbergäste, die du eben erwähnt hast, oder? 

Burkhard: Genau, genau. Und zwar basiert es auch auf den praktischen Erfahrungen. Ich habe 2015/16 eine solidarische Landwirtschaft in Minden begonnen aufzubauen und wir bekamen bei einem befreundeten Landwirt ein Hektar Land zur Verfügung, allerdings ohne dabei Räumlichkeiten zu haben. Da aber klar war, dass wir halt auch für den Winter produzieren wollten, war die Frage der Räumlichkeiten.

Dann konnte ich endlich meine Idee, die ich auch schon, ich glaube, acht Jahre vorher hatte, tatsächlich mal in die Tat umsetzen. Da standen noch Gerste auf dem Feld. Ich habe den Bauern gebeten, gleich Großballen daraus zu pressen, von denen die wussten, dass sie standstabil sind und dass sie einfach eine gute Dämmwirkung haben. Und das hat er gemacht. Das ganze war also so dieses „Was? Ihr wollt übermorgen ernten? Dann presst mir doch bitte die Großballen darauf!“ Und dann standen die da und es war klar, sie müssen relativ schnell verarbeitet werden, damit sie nicht voll regnen.

Dann haben wir eben in einer Aktion von zwei Tagen dieses völlig improvisierte Bauwerk gemacht. Einfach nur auf Folie die Ballen selber auf einen Folienstreifen gestellt, also unten gar nicht weiter vorbereitet. Das Ganze allerdings im Norden eines großen alten Eiche, die halt Schatten werfen konnte. Dann die Strohballen in Großballenbauweise liegend hochgebaut. Oben alte Holzbalken drauf, oben die Strohballen drauf und eine große Silofolie einmal drum rum. Für mich war das damals so, naja, das hält jetzt irgendwie drei Jahre, dann können wir es halt irgendwie zum Mulchen nutzen. Und letztendlich hat es tatsächlich fünf Jahre gestanden. Wobei die Silofolie irgendwann durch einen Ast, der runtergefallen ist, durch Tiere, die gepickt haben, undicht wurde und wir das nochmal abdichten mussten. Und wäre dieses Abdichtungsproblem nicht gewesen, hätte es wahrscheinlich gut diese fünf Jahre auch noch weiter überstanden. Aber so kam zwischendurch einmal das Wasser durch. 

Simone: Du hast also so ein Experiment in klein quasi erfolgreich schon durchgeführt und wir sind jetzt die große Variante davon, oder? 

Burkhard: Ja, so viel größer seid ihr gar nicht. Das Ganze hatte auch vorher schon die Größe, die wir eben brauchten. Ihr seid etwas größer geworden, aber es war, ich sag mal, dahingerotzt vom Bau her, weil alles so schnell gegangen ist.

Und da waren ein paar Dinge dabei, die ich gerne anders gemacht hätte, von denen ich wusste, wenn wir sie etwas sorgfältiger machen, wie mit dem Drahtgitter zum Beispiel, dass dann dadurch das Ganze länger hält oder eben nicht oben eine dünne Folie drauf, sondern gleich einen guten Regenschutz. Denn das ist das Entscheidende. Und da seid ihr Experten im Strohballenbau. Das heißt, da musste ich euch gar nicht so viel sagen, weil Harry und die anderen konnten gleich verstehen, worum es dabei geht und was wesentlich ist. Und das fand ich natürlich sehr angenehm. Also seid ihr das erste richtige Laborexperiment sozusagen. Und wie unseres war so dieses schnell dahingeworfene. 

Simone: Ja. Wobei ich gehört habe, auch von meinen Kollegen hier aus dem Gartenteam, dass das auch erst mal ein Vorläufermodell ist, ein Prototyp. Und wenn sich das bewährt, wenn wir unsere Ernte da richtig gut über den Winter kriegen, dass dann schon daran gedacht wird, nochmal eine weitere Stufe an Haltbarkeit des Gebäudes zu erreichen, wo man dann schon wahrscheinlich überlegt, ob die Strohballen dann auch irgendwann mal lehmverputzt werden in einer neuen Version. Erstmal hat man, glaube ich, so einen Mittelweg gewählt. Es ist nicht, wie du sagst, dahin gerotzt, aber es ist auch kein perfektes Gebäude, sondern es ist so ein Mittelmaß gefunden worden. 

Burkhard: Ja, das finde ich auch einen ganz guten Weg, sich langsam ran zu tasten. 

Simone: Ja, jetzt die spannende Frage, die uns alle natürlich interessiert. Woher kommt die Kälte in dem Gebäude? 

Burkhard: Ja, das ist tatsächlich beides. Es ist sozusagen die Schwierigkeit und aber die Chance. Dieses Gebäude geht es nicht so sehr darum, das im Sommer kalt und kühl zu halten, sondern das Lagergemüse, das heißt ob das Möhren sind, die Ende Oktober geerntet werden, ob das der Kohl, der Weißkohl, der Rotkohl ist, ob das die verschiedenen Wurzelgemüse sind, die gut über den Winter zu bekommen. Das heißt, wenn es draußen kalt wird, Temperatur abzupuffern. Im Sommer ist es so, dass es generell nur etwas kühler gehalten wird. Ich habe leider keinen dauernden Messfühler drin gehabt, der das aufgezeichnet hätte. 

Simone: Also kein Temperaturmonitoring. 

Burkhard: Ja, kein Monitoring, danke. Wir haben kein elektronisches Temperaturmonitoring gemacht. Ich habe einfach immer auf die Temperaturen drinnen und draußen geschaut und festgestellt, dass es schon zwischen 5 und 7 Grad kälter drin ist, als es draußen ist, auch an heißen Tagen, was zum Teil mit dem Schatten durch die große alte Eiche zu tun hatte, weil eben kaum Sonne drauf gekommen ist. Zum anderen aber eben halt auch, dass die Erde von unten her immer etwas Kälte nachgeliefert hat. Das heißt, für einen Sommer, wo ich einen Salat kühlen wollen würde, ist es nicht optimal geeignet. Aber sobald ich die großen Mengen habe, und das war genau das Problem ja bei euch mit dem Keller, wenn ich große Mengen Winterlagergemüse habe, die am Anfang ganz viel Platz brauchen, und dann immer weniger werden, vielleicht bis in den März, April rein.

Dafür ist das Lager sehr gut geeignet. Also es ist nur ein Teil Winterlager und kein Sommerlager, wenn ich es jetzt plakativ machen soll. Ich kann trotzdem im Sommer lagern. Wir haben auch unsere Sachen drin liegen gehabt. Die halten halt einfach auch besser, als wenn man sie im Freien hat. Aber für einen frischen Salat zum Beispiel, Radieschen, würde man es vielleicht erst in den Kühlhaus packen. Genauso ist die ein weiterer Engpass, wenn ich jetzt Ende Oktober die Möhren einlage. Wir haben leider immer wieder sehr warme Herbste.

Der ganze November bleibt warm bis in Dezember rein. Dann wäre es praktischer, die Möhren einmal runter zu kühlen in einem externen Kühllager. Und dann erst einzulagern, dass sie ihre Wärme nicht hineinbringen. Weil wenn sie kühl reinkommen, dann werden sie sich dort schon viel besser lagern. Aber wenn sie warm eingelagert werden, bringe ich natürlich die ganze Wärme mit rein. Das ist sozusagen schon mal eine Möglichkeit, auch um im Herbst die Temperaturen im Gemüse selber abzusenken. 

Simone: Das heißt, es ist also wirklich eine Naturkühlung oder ist auch irgendwas an Lüftung oder Kältezufuhr angedacht? 

Burkhard: Es gibt eine Lüftung, die eingebaut ist. Das hängt auch damit zusammen. Alles Gemüse, was gelagert wird, atmet. Das heißt, es gibt permanent auch Wärme und andere Stoffe ab. Und um die aber jetzt sozusagen die Außenkälte zu nutzen, ist zusätzlich diese Lüftung gebaut für die Feuchtigkeitsverlauf, wie ich gedacht hätte. Das ist immer so, dass Feuchtigkeit immer ein kritischer Punkt in den technischen Kühlsystemen ist. Und das war aber gar nicht das Problem, weil das Stroh eine wunderbare ausgleichende Wirkung hat.

Also da sind Sachen auch unter Umständen gelagert werden, die in einem technischen Kühlhaus gar nicht so gut gelagert werden könnten, weil die Luftfeuchtigkeit nicht stimmte. Was wir aber machen können über die Lüftung ist, wenn es draußen kälter ist als drinnen, und wir haben vielleicht Kälte nach kalten Nächten schon im November, Dezember, Januar, Dann können wir diese kalte Luft nachts hineinblasen, runterkühlen und dann tagsüber wird die Lüftung wieder ausgestellt. Und dadurch kann ich eine Art von Zwischending zwischen einer reinen Kühlung drin und gar nichts schaffen. Ein völliges Passivhaus.

Simone: Sag mal und wenn es im Winter, ist ja im Moment nicht so oft der Fall gewesen, aber falls wir mal wieder so Phasen bekommen von kontinentaler Kälte, dauerhaft drei Wochen minus 15 Grad oder so, Dann geht es ja wahrscheinlich auch um das Thema, dass das Gemüse nicht einfrieren darf, oder? 

Burkhard: Wir haben in den fünf Jahren nur zwei sehr kalte Winter in Minden gehabt. Ich habe aber in beiden feststellen können, dass die Dämmung im Grunde genommen ausreichend ist, weil das Gemüse ja auch Wärme abgibt. Und diese Wärme bleibt dann erstmal drinnen. Und zum Zweiten habe ich auch die Erde, die halt einen Teil dieses Temperaturausgleichs schafft. Die unten bleibt ja offener Erdraum und der gibt auch einen Teil Wärme ab. Wir haben als Sicherung in Minden dann nochmal extra einen kleinen Heizplatte reingelegt, die wir aber nur einmal benutzt haben und zwar zu einem Zeitpunkt, als leider ein bauliches Problem aufgetaucht ist, wodurch die Dämmung nicht mehr so gut war. Gut, Heizung zieht natürlich ordentlich Strom dann, aber die kleine Lüftung, denke ich, da wird kein hoher Energieverbrauch zu erwarten sein. 

Simone: Also dann hoffen wir mal, dass wir das auch so ganz gut hinkriegen, praktisch off-grid unser Gemüse kalt zu halten. Denn ehrlich gesagt, ich hatte es mit Lorena schon das Thema auf diesen komischen weißen Kühlanhänger, der jetzt bei uns im Garten steht und vor sich hin brummt und viel Energie rauspowert, hat natürlich niemand so richtig Lust, den weiter zu betreiben. Das hat auch nicht so toll funktioniert. 

Burkhard: Ja, genau. Das liegt auch daran, dass diese technischen Kühlsysteme haben halt die Luft, die Atmung des Gemüses und die Feuchtigkeit, diese beim Schwitzen müssen ja verarbeitet werden, die müssen ja raustransportiert werden. Aber ich darf zugleich nicht die Kälte raus transportieren und ich muss eine hohe Luftfeuchtigkeit halten und das passt nicht gut zusammen. Und da sind diese technischen Systeme viel, viel empfindlicher, gerade wenn sie klein sind. Wenn sie ein bisschen größer sind, kann man noch mehr Finessen einbauen. Deshalb funktionieren in der Regel wirklich nur für Kühl-Lagerung, Kurzzeit oder wenn man eben sein Bier kalt haben will, für Veranstaltungen, da spielt es keine Rolle. Aber für Gemüse ist es halt immer wieder problematisch. 

Simone: Es ist ja auch ein Transportanhänger eigentlich. Wir haben den ja auch ein bisschen Zweck entfremdet. Vielleicht haben wir zu viel von ihm erwartet. Jedenfalls schön zu hören, wie diese Natur-Materialien auch arbeiten. Dieses Ausgleichen, was wir ja auch vom Wohnklima kennen, in den Strohballen, Lehmhäusern, die wir hier bewohnen. und das kommt jetzt auch unserem Gemüse zugute. Ein gutes Lagerklima sozusagen. Trotzdem noch die Frage, wenn ich mir eine Kartoffel vorstelle und einen Kohlkopf, dann haben die extrem unterschiedliche Eigenschaften und doch bestimmt möchten die auch im Lager ganz anders behandelt werden. 

Burkhard: Ja, wenn man es sich ganz genau anschaut, gibt es tatsächlich unterschiedliche Eigenschaften, aber das Interessante fand ich für mich in Minden in der Beobachtung, in der Praxis. Üblicherweise sollte eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit im Gemüseraum herrschen. Die war bei uns im Strohlager in Minden gar nicht da. Und trotzdem hat das Gemüse zum Teil besser gelagert als vergleichbares Gemüse in einem technischen Kühlhaus. Ich kann es nicht genau erklären, aber es dürfte damit zu tun haben, dass die Luftqualität eine andere ist.

So wie wir es halt aus den Erdkellern auch kennen, auch nicht die technischen Anforderungen immer erfüllen, die man für Gemüselagerung optimal braucht. Ich habe jedes Jahr Lagerversuche gemacht mit verschiedenen Gemüsesorten, wo ich ein, zwei Kisten so lange gelagert habe, bis das Gemüse in den Kisten schlecht geworden ist. Und ich habe festgestellt, das war bis Ende April fast immer problemlos. Das hing eher mit der Qualität des Gemüses zusammen und ich habe zum Teil auch Sellerie bis Ende Mai, Anfang Juni noch gehabt, aber auch Möhren und andere. Zwiebeln sind sowieso anders zu lagern, die gehören da nicht rein, genauso wie Obst halt nicht rein gehört sollte, aber alles andere Lagergemüse kann man gut zusammenpacken. 

Simone: Okay, ja wir sind total gespannt, wie das läuft und ich finde, es ist ein toller Schritt Richtung Nachhaltigkeit gedacht, an bestimmten Punkten auch wieder wegzugehen von Technik. Ich meine, wir wollen die lokale Versorgung mit Lebensmitteln und da dann noch weiter zu gehen und sagen, hey, lasst uns die auch an sich so energiesparend wie möglich gestalten. Dann machen wir nochmal einen richtig großen Schritt in die Zukunft. Und ich danke dir einfach für deinen ganzen Ideengeist. Du begleitest uns ja irgendwie auf die eine oder andere Art und Weise fachlich und persönlich schon viele Jahre. Toll, dass du dich hier so einbringst. 

Burkhard: Ja, gerne, weil es mir auch Freude macht, weil ihr eben halt auf solchen Ideen drüber aufgeschlossen seid und es ausprobiert. Denn diese Diskussion um die Energie, Input, den ich für Lagergemüse brauche, der wird ja auch in Fachkreisen geführt, schon seit Jahren. Aber bisher hat halt noch keiner eine richtig gute Lösung dafür gefunden. Und das ist jetzt einfach ein ganzer Schritt in der Praxis und das können wir nur einfach ausprobieren. 

Simone: Ja, das werden wir ein paar Jahre beobachten. Vielleicht wird das noch der große Exportschlager, diese Idee. 

Burkhard: Ja, ich bin davon überzeugt, dass tatsächlich weitere Verbreitungen finden wird. 

Simone: Lieben Dank, wir berichten dir auf jeden Fall den ganzen Winter. Oder du kommst mal rum bestimmt und guckst neugierig, wie es läuft. 

Burkhard: Ich komme auch wieder vorbei, genau demnächst. 

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