„Folge deinem Herzen“ – ein Egotrip oder große Tat der Weltverbesserung?

Potenzialentfaltung: Luxusthema oder Voraussetzung für den Wandel?

Gerade der Jahreswechsel ist der Zeitpunkt, an dem viele Menschen darüber nachdenken, welche Ausrichtung sie ihrem Leben im nächsten Jahr geben wollen. Häufig kommt dabei heraus: Den eigenen Träumen nachgehen und dem Herzen folgen. Haben wir in unserer gesättigten Konsumgesellschaft zu viel Zeit, uns Gedanken zu machen? Ist diese Selbsterfahrung schlicht und einfach ein purer Egotrip? Die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens ein Luxusthema, ein „First-World-Problem“ von Menschen, die sonst keine Probleme haben? Oder ist das Entwickeln der eigenen Persönlichkeit ein altruistischer Akt, um die Welt zu verbessern?

Diese Fragen wirbeln schon länger in meinem Kopf herum. Dieser Beitrag versucht, ihnen etwas mehr auf die Spur zu kommen.

Warum mich diese Frage beschäftigt…

Seit mehreren Jahren setze ich mich intensiv mit meiner eigenen Potenzialentfaltung auseinander und begleite Menschen, ihre Träume und ihr Potenzial zu entdecken. Es ist wunderschön, wenn die Augen eines Menschen anfangen zu funkeln und zu glänzen, weil er oder sie einen Traum entdeckt hat und dafür loszieht. Dieses Funkeln bringt pure Lebenskraft und Lebendigkeit in uns.

    Frage nicht, was die Welt braucht.
    Frage dich selbst, was dich lebendig macht,
    und gehe und tue das.
    Denn was die Welt braucht, das sind Leute,
    die lebendig geworden sind.
    Howard Thurman

Dieses Zitat von Howard Thurman ist eine wunderbare Ode an die Potenzialentfaltung. Und gleichzeitig spannt sich in meinem Kopf ein Widerspruch mit zwei Extremen auf:  Erstens sich politisch, ökologisch und sozial für den Wandel in der Welt engagieren. Und zweitens das tun, wonach sich das Herz sehnt. Das tun, was wirklich guttut und Spaß macht.

Mein Leben fühlt sich oft an wie eine Wippe, die versucht, sich im Gleichgewicht zwischen Müssen und Können einzuschwingen. Im Gleichgewicht zwischen Ich und Welt. Spaß und Pflicht. Freizeit und Verantwortung.

Kennst du das auch? Es ist als ob zwei Comic-Figuren auf meinem beiden Schultern sitzen. Die eine flüstert mir: „Du musst was tun. Du musst noch mehr tun. Das reicht alles nicht aus, was ihr Menschlein für diese Welt tut. So geht alles den Bach runter. Mach mal was Wichtiges!“ Und die andere flüstert mir: „Hey, du darfst und musst auch mal mehr an dich denken. Schau dir die anderen an. Die gehen in Bars und Kneipen und Tanzen als ob nichts wäre. Fahren in den Urlaub und genießen einfach ihr Leben.“

Achtung, wir gehen nun beiden Extremen auf den Grund.

„Das reicht noch lange nicht!“

Aufgrund der zahlreichen Krisen und dazu dem Zeitdruck, der über dieser Erdkugel schwebt, ist es offensichtlich notwendig, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse nach hinten zu stellen. Es geht schließlich nicht nur um mich! Wer bin ICH schon und warum sollte es um mich gehen, wenn es darum geht, den ganzen Planeten zu retten? Klar, tritt das Ego dann auch mal komplett nach hinten. Im einen Extrem ziehe ich also als Öko-Fuzzi in den großen Kampf des Weltverbesserns.

    Alles Große in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.
    Hermann Gmeiner

Nicht selten brennen engagierte und aktivistische Menschen an ihrem Engagement aus. Sind die innere Batterie und die Hoffnung erstmal am Boden, muss dann zwangsweise der Pausen-Knopf gedrückt werden.  

„Folge einfach DEINEM Herzen!“

Im anderen Extrem folge ich einfach NUR MEINEN Träumen. Ich kann als „Digital Nomad“ auf Hawaii, den kanarischen Inseln und Bali arbeiten. Meinen Seelen-Auftrag puste ich mit meinem Millionen-Herzensbusiness – natürlich nur Online-Kurse – in die Welt. Ebenso wie die Emissionen, die mein globalisierter, auf Ausbeutungsstrukturen basierender Lebensstil erzeugt.

Oder ich tingel als Selbsterfahrungs-Junkey von Seminar zu Seminar und rede mir ein, dass meine Selbsterfahrung der wahre Weg und absolute Voraussetzung für den Weltfrieden ist. Bastle mir ein Visionsboard und meditiere ein bisschen Licht und Liebe in die Welt. Denn ich muss mich, bevor ich mich um die Welt kümmern kann, ja erstmal um meine eigene Heilung kümmern. Potenzialentfaltung und Selbsterfahrung als Hobby? Als reiner Selbstzweck?

    Jeder möchte die Welt verbessern und jeder könnte es auch, wenn er nur bei sich selber anfangen wollte.
    Karl Heinrich Waggerl

Letztens habe ich einen spannenden Artikel im Spiegel gelesen, der unter dem Aufhänger „Zu viel des Guten“ die möglichen Schattenseiten von Achtsamkeit, Yoga, Meditation und im weitesten Sinne auch Potenzialentfaltung beleuchtet. Mega spannend! Unter anderem wird angerissen, dass solche Praktiken, die ohnehin schon deutlich ausgeprägte ICH-Zentrierung unserer individualisierten Gesellschaft verstärken können. Das Ich tritt in den Vordergrund während das Wir und die Welt ein gutes Stück nach hinten rücken.

Da fehlt doch was oder? Es kann ein UND sein – Der gesunde Mittelweg

Wie bei so vielem im Leben liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der Mitte. Ich finde es wichtig, beiden Aspekten einen Platz im eigenen Leben zu geben. Es geht darum, aus dem „entweder oder“ ein „und“ zu machen. Wie kann ich für die Welt wirken UND gleichzeitig glücklich sein und ein schönes Leben führen? Das Ziel ist eine gesunde Balance zwischen Ich und Welt.  

Ich finde es wichtig sich immer wieder Zeit und Raum für die eigene Entwicklung zu nehmen – eingebettet in dem Willen, die Welt ein Stück besser zu machen. Denn stehst du selbst in deiner vollen Kraft, kannst du auch deinen größtmöglichen Anteil zu einer ganzheitlich-nachhaltigen Welt und einem lebensfrohen Sein beitragen.

Das Ökodorf ist für mich ein wunderbarerer Ort, an dem beides seinen Platz hat. Hier leben Menschen ihren Traum und inspirieren damit viele andere, mehr Nachhaltigkeit in ihr Leben einzuladen. Im kommenden Jahr gebe ich dort zwei spannende Seminar zu genau diesen Themen. Ich freue mich, dich dort zu sehen.

Im Seminar Wann strahlst du? 1.-4. Februar 2024 liegt der Fokus eher auf dem ICH: „Wann strahle ich wirklich? Wann fühle ich mich richtig lebendig? Was will ich von meinem Leben? Und was will das Leben von mir?“ Und trotzdem behalten wir das Wir und die Welt im Blick.

In dem Workshop Bestenfalls macht Weltverbessern auch noch Spaß, oder? 22.-25. August 2024  widmen wir uns dem Thema WELT und deiner Mission: „Ich will diese Welt ein großes Stück besser machen! Wie genau setze ich das um? Wo soll ich anfangen?“ Und auch hier haben wir ein Augenmerk auf deine Passionen und Kräfte.

Miriam Boehlke

Das könnte Dich auch interessieren...