Sein Herz schlägt für Agroforst. Interview mit Daniel Fischer
Daniel Fischer beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Agroforstwirtschaft. Bereits 2005 hat er an der ersten europäischen Agroforst-Konferenz in Deutschland teilgenommen. Seitdem lässt ihn dieses zukunftsweisende Themenfeld nicht mehr los! Auch international hat er seine Fühler ausgestreckt und wertvolle Praxiserfahrungen in verschiedenen Ländern und Klimazonen gesammelt. Jetzt arbeitet er für das Agroforst-Projekt in Sieben Linden. Was ihn persönlich motiviert und welche Zukunftsperspektiven er sieht, verrät er in diesem Interview.
Wie kamst Du zum Agroforst?
Schon in meiner Jugend hat mich die Permakultur fasziniert. Als ich dann auf Robert Hart’s Waldgarten-Konzept stieß, war ich vollends begeistert. Während meines Studiums an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde habe ich dann mit einer studentischen Initiative einen Modellgarten angelegt, um Praxiserfahrungen mit Permakultur und der Waldgartengestaltung zu sammeln. Hierfür wurden wir sogar mehrfach ausgezeichnet.
Was hat Dich dann weiter inspiriert?
Durch mehrere Auslandsaufenthalte in England, Österreich, Japan und Südkorea konnte ich weitere wertvolle Praxiserfahrungen über nachhaltige Landnutzungsmethoden sammeln. Gleichzeitig konnte ich einen Blick über den Tellerrand werfen.
Ein besonderes Highlight war hierbei ein Praxissemester in Cornwall. Das durfte ich im wohl vielseitigsten Agroforstsystem in ganz Europa mit über 1.500 verschiedenen Nutzpflanzenarten verbringen. Auf einer ehemaligen konventionellen Ackerfläche haben dort Ken und Addy Fern – beide Freunde von Robert Hart – ein blühendes Waldgartenparadies auf insgesamt 11 ha namens „Plants For A Future“ erschaffen. Ich konnte bei den Pflegearbeiten mitwirken und war von der Pflanzenvielfalt und ihren vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten vollkommen ergriffen. Während meiner Zeit in Großbritannien bot sich zugleich auch die besondere Gelegenheit, den weltberühmten Waldgarten des bekannten Autors Martin Crawford in Devon zu besichtigen.
In Österreich habe ich dann einige Jahre später die Familie Langerhorst aus Gugerling kennengelernt. Bereits seit vielen Jahrzehnten haben sich Margarete und Jakobus Langerhorst mit der Mischkulturpraxis intensiv beschäftigt und darüber auch mehrfach publiziert. Ihr bio-vegan bewirtschaftetes Naturgartenparadies ähnelt jedoch sehr stark einem vielseitig geprägtem Agroforst- oder Permakultursystem, da dort verschiedene Obst- und Nussbäume, Beerensträucher und Rankpflanzen wie Kiwi prächtig neben den Gemüsebeeten gedeihen.
Im Fokus meiner Studienreise in Japan und Südkorea stand wiederum die „natürliche Landwirtschaft“. International bekanntgeworden ist dieses Konzept durch den Japaner Masanobu Fukuoka, der den Begriff „natural farming“ geprägt hat. Sein Fokus lag jedoch nicht ausschließlich nur auf den Anbau von klassischen Feldfrüchten. Stattdessen hat dieser wiederholt auch Nutzgehölze in seinen landwirtschaftlichen Anbausystemen einbezogen, so dass man hier auch z.T. von einem Food Farming Forest sprechen kann.
Die Zeit in Japan und Korea habe ich mit verschiedenen Schülern Fukuoka‘s verbracht und durfte auf diversen natural farming Betrieben mitwirken. Besonders beeindruckend war für mich zu sehen, wie von der Agrobiodiversität ein spürbarer und nachhaltiger positiver Effekt auf zahlreiche Arten ausging. Und zwar nicht nur im Hinblick auf verschiedene Insekten- oder Vogelarten, sondern auch in Bezug auf die große Vielfalt an verschiedenen Bodenorganismen, welche unter unseren Füßen meist im Verborgenen tätig sind und hierbei eine wichtige Funktion für den Erhalt und die Entwicklung der Bodenfruchtbarkeit erfüllen.
Agroforst ist ja heutzutage immer noch ein Nischenprodukt – ändert sich das langsam?
Ich bin Sprecher des bundesweit tätigen Arbeitskreises für Agroforstwirtschaft der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die AbL ist ein landwirtschaftlicher Verband, der sich insbesondere für eine umwelt- und klimafreundlichere sowie sozialere Form der Landwirtschaft mit vollem Engagement einsetzt. Hierbei umfasst das Spektrum sowohl konventionelle als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben, um für eine nachhaltigere und enkeltauglichere Entwicklung in der Landwirtschaft einzutreten. Das Interesse an Agroforst unter den Landwirten bei der AbL ist groß und hat stetig zugenommen. Ein Resultat dieser Entwicklung ist die Gründung des Arbeitskreises, dem sich Mitglieder aus verschiedenen AbL-Landesverbänden angeschlossen haben. Darüber hinaus wirkt die AbL auch an gemeinsamen Pressemitteilungen mit, leistet Öffentlichkeitsarbeit z.B. im Rahmen von Posterbeiträgen oder nimmt an Fachveranstaltungen teil, z.T. auch im Landtag.
Seit Juni 2019 gibt es auch den Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF), dessen Gründungsmitglied ich bin. Seit diesem Jahr wurde ich dort auch zum Fachbereichsleiter für Natur und Umwelt ernannt. Das große Engagement dieses Fachverbands sorgt dafür, dass sich die Agroforstwirtschaft allmählich aus der Nische herausarbeitet. Der DeFAF konnte so u.a. erfolgreich dazu beitragen, dass seit 2023 Agroforst-Gehölzstreifen nicht mehr aus der geförderten Agrarfläche herausgerechnet werden oder zu Bestandteilen von „geschützten Landschaftselementen“ deklariert werden.
Stattdessen sind nun erstmalig auch in Deutschland Agroforstflächen und -streifen direktzahlungsfähig und können rechtssicher als landwirtschaftliche Nutzflächen angelegt werden. Die Beibehaltung von bereits bestehende Systeme kann darüber hinaus im Rahmen der freiwilligen Ökoregelung zusätzlich honoriert werden. Das sind erste wichtige Schritte und Meilensteine auch für die hiesige Förderung der Agroforstwirtschaft. Im europaweiten Vergleich hinkten wir der Entwicklung jedoch noch weit hinterher. Es existieren hierzulande auch noch einige bürokratische Hürden und Reglementierungen. Der DeFAF setzt sich jedoch mit Nachdruck dafür ein, dass diese so schnell wie möglich wegfallen und beseitigt werden. Damit Agroforstsysteme endlich grünes Licht für eine freie Fahrt in der landwirtschaftlichen Praxis erhalten.
Und was machst Du jetzt eigentlich in Sieben Linden?
Die Sieben Lindener:innen haben das Ziel, aus dem Ökodorf heraus Impulse für eine Agroforst-Modellregion Altmark zu geben und zugleich auch selbst Ausstrahlungskraft durch die eigenen Agroforstflächen zu entfalten. Das Bild, dass die Agrarlandschaft der Altmark alle 30 m von Gehölzstreifen durchzogen wird. Damit leistet er einen erheblichen Beitrag zur CO2-Bindung, Veränderung des Kleinklimas, Verminderung von Erosion und Stärkung der Biodiversität und speist diesen Traum. Dank einer Förderung darf ich jetzt ein halbes Jahr lang ein Projekt vorbereiten. Darin soll ein „Impulsbüro Agroforst“ in Sieben Linden entstehen.
Wie ist Dein erster Eindruck?
Es war vermutlich eine glückliche Fügung, dass ich die Stelle hier in Sieben Linden antreten durfte. Bereits das Bewerbungsgespräch sowie das erste Kennenlernen verliefen überaus positiv. Eva, Thomas und ich haben uns auf Anhieb gut verstanden und uns offen über alle wesentlichen Punkte austauschen können. Eine Führung durch das bereits bestehende „Agroforst-Paradies“ hier in Sieben Linden, die mir freundlicherweise gleich beim ersten Treffen von Thomas angeboten wurde, hat den positiven Gesamteindruck noch weiter bestärkt. Intuitiv habe ich gespürt, dass Sieben Linden offenbar ein ganz besonderer Ort ist. Von dem eine große Inspirationskraft auf viele Menschen ausgeht, die sich nach nachhaltigen Lösungsansätzen, Gemeinschaftsleben und einem Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur sehnen. Und zwar nicht nur in der reinen Theorie. Sondern vor allem auch in der Praxis sowie im alltäglichen Handeln und Tun!
Des Weiteren bin ich sehr schnell mit vielen freundlichen Gesichter aus dem unmittelbaren Umfeld von Sieben Linden in Kontakt gekommen. Besonders erfreut hat mich auch das gegenseitige Kennenlernen und die Zusammenarbeit mit der Agroforst-Gruppe im Rahmen von zwei gemeinsamen Pflegeaktionen. Diese fanden bereits im Vorfeld des AF4EU Workshops auf den Agroforstflächen des Nordackers statt. Neben der eigentlichen Arbeit gab es hierbei auch genügend Raum für den gemeinsamen Austausch und das gegenseitige Kennenlernen. Durch die gemeinsamen Aktivität und Erlebnisse vor Ort während des Arbeitseinsatzes ergab sich bei einer überaus heiteren und konstruktiven Arbeitsatmosphäre viel Verbindendes. Umrahmt war die gemeinsame Aktion von dem Bild einer wachsenden Agroforstlandschaft, die allmählich bereits Gestalt annimmt trotz der heftigen Dürrephasen der vergangenen Jahre. Von da aus ist der Start in Sieben Linden bereits geglückt und hätte vermutlich nicht besser ausfallen können. Ich freue mich bereits auf die weitere Zusammenarbeit und sage Agroforst mit voller Kraft voraus!“
Das Interview führte Eva Stützel