Gruppenbild der teilnehmer*innen beim UTOPIAL

Das war das UTOPIAL! – Podcast, Artikel & Video

UTOPIAL- Utopie trifft Festival. Vor zwei Wochen hat das Utopial stattgefunden. Ein Zusammenkommen von jungen Menschen, bei dem Selbstorganisation, Gemeinschaft und alternative Lebensweisen erfahrbar wurden. Als Teil der jungen Generation die gerade in Sieben Linden wohnt, haben wir (Hanna, Karina, Laura, Carl, Greta und Lorena) das Camp ins Leben gerufen und organisiert. Unser Ziel war es, mit anderen jungen Menschen zu teilen, wie bereichernd und empowernd es sein kann, in einer Gemeinschaft zu wohnen. 

Wie das erste Utopial gelaufen ist und was es mit den Teilnehmer*innen gemacht hat, könnt ihr eindrücklich beschrieben in folgenden Stimmen lesen und im Podcast hören. Vielleicht springt sogar das ein oder andere Mal der Utopial-Funke zu euch rüber. Viel Freude dabei!

In der augenblicklichen Situation mit mehreren sich immer weitere zuspitzenden Krisen und Konflikten wollten wir mehr Menschen unserer Generation für das Leben im Ökodorf Sieben Linden ermutigen, uns mit anderen Projekten und Ideen vernetzen und einen Raum schaffen, um unser Leben grundlegend anders zu denken. Unsere Idee war, mit dem Utopial eine selbstorganisierte Veranstaltung zu kreieren, wo die Teilnehmer*innen ihr Potential entfalten können. Wie genau sich das gestalten würde, wussten wir nicht. Wie gelaufen ist, lest, seht und hört ihr hier: 

Podcast Folge 75: UTOPIAL- Wandel. Utopie. Alternatives Leben.

Video : Impressionen vom UTOPIAL

Drei Beschreibungen der Erlebnisse auf dem Utopial von drei Teilnehmenden: 

1.) „Nach einer Woche gingen wir tief berührt…“

Vom 4.-11. Juni fand auf dem Zeltplatz erstmalig das Utopial statt, bei dem etwa 30 junge Menschen aus ganz Deutschland zusammen kamen um in Gemeinschaft zu leben, die Utopie einer verbundenen, nachhaltigen, achtsamen und gleichberechtigten Welt zu erdenken und im Miteinander eine Woche lang zu erforschen.

Organisiert wurde das Utopial von Carl, Lorena, Hanna, Laura und Greta aus dem Wunsch heraus, sich in Zeiten von Klimawandel und zahlreichen globalen, wie sozialen Krisen gegenseitig zu stärken, Banden zu bilden und Visionen zu spinnen von einer enkeltauglichen Welt mit der Überzeugung, dass wir gemeinsam bewegen können.

Morgens wurde mit Körperarbeit, einem Plenum und gemeinsamer Musik in den Tag gestartet. Die Tage füllten sich mit einer kreativen Leichtigkeit gemeinsam durch die OrganisatorInnen, Sieben Lindener ReferentInnen und die TeilnehmerInnen.

So bot Eva Stützel einen Workshop zum Gemeinschaftskompass und Gabi Bott einen Workshop zu Tiefenökologie an, welche beide begeisterte Resonanz erfuhren. Julian führte die Teilnehmenden durch die Gemeinschaft, Henry aus dem ZEGG leitete mit verschiedenen Co-moderatorInnen an drei Nachmittagen das Forum, Ruben gestaltete einen Workshop zu Aktivismus. Raum für vielfältige Workshops aus dem Kreise der Teilnehmenden gab es bei mehreren Open Spaces. Abends saßen wir beim Lagerfeuer gemeinsam in der Jurte, lauschten dem Erlebten der erfahrenen Aktivist*Innen Gabi, Irma und Jörg, tagsdarauf Tobi Rosswogs mitreißender Lohnarbeitskritik, folgten gebannt dem Film “Rise Up”, entdeckten staunend Talente beim gemeinsamen Musizieren auf der Open Stage im Amphitheater und tanzten auf einer wunderbaren Abschiedsparty, bei der der Wald im Lichtermeer erstrahlte und die Klänge durch die Blätter rauschten.

Fürs leibliche Wohl sorgte bis zum Wochenende Jonas, der sich dafür extra frei nahm, um die engagierte Jugend zu unterstützen, dann übernahm Björn und versorgte alle mit leckerem Essen.

Einen besonders berührenden Moment bescherte uns die BieterInnenrunde, bei der die TeilnehmerInnen sich mit dem Thema Geld und einem solidarischen Umgang damit auseinandersetzten. Nach dem Motto: Wie kann Geld nach Bedarf verteilt werden und wie können wir die Tausch-Logik überwinden? 

Im Feedback teilten die TeilnehmerInnen, dass sie die Kultur im Camp als sehr berührend, nährend und achtsam erlebt hatten. Nach einer Woche gingen wir tief berührt, voller neuer Freundschaften und satt an Inspiration für den Wandel zu einer besseren Welt auseinander. Wir sind gespannt, welche Fäden für neue Projekte sich in Zukunft aus den entstandenen Verbindungen spinnen mögen.

2.) „Ein sich langsam schärfendes Bild“ – UTOPIAL

Als ich in den Schotterweg zum Dorf einbog, begegnete mir kurz darauf ein Mann am Dorfeingang. Er erkannte mich als Utopialist und beschrieb mir den Weg zum Zeltplatz. 

Die erste Aufmerksamkeit stimmte mich positiv und brachte mir schnell wieder vor inneren Augen, wieso ich angereist war:

Ich wollte sehen, wer die Menschen waren, die ein Utopial organisieren, um junge Utopist*Innen zusammenzubringen!

Mich mit den Menschen austauschen, die an solch einem Unterfangen teilnehmen!

Ich wollte wissen, wie ein Ökodorf funktioniert! Ich war neugierig auf die Erfahrungen, die ich machen würde!

Mit dem vorherrschenden Gedanken,

vor Sonnenuntergang noch mein Zelt aufzuschlagen, stolperte ich über den Schotter an den Holzlagern vorbei. 

Zuvor noch in Berlin einen Zwischenstop eingelegt, hatte ich zwei Tage später die Reise zum Ökodorf Sieben Linden begonnen:

Mit der Bahn über Stendal, nach Salzwedel und dann eine Bus-Tour durch die Orte, deren meistens einzige Bushaltestelle aus der Kombination “ ‚Ortsname‘ + Ort“ einen roten Faden durch die Dörfer spinnt. 

Die grüne Natur, die mir schon sehr bald während der Busfahrt auffiel, lockte erste Fröhlichkeit hervor. Was die meisten spüren, die sich aus dem urbanen Raum in die Natur wagen, wurde schon lange wissenschaftlich belegt: Das Grün der Natur hat eine positive Auswirkung auf die menschliche Psyche. 

In Poppau Ort hielt der Bus. Den Rest des Weges musste ich gehen. Eine leere Landstraße führte aus Poppau an Felder vorbei. Irgendwann zeigten Holzschilder nach rechts in einen Weg hinein. 

Wir spulen vor: Viele waren früher angekommen und hatten die Möglichkeit sich etwas kennenzulernen. Ich kam am Abend an, als das Plenum schon voll im Gange war. Ich stellte mein Gepäck ab und wurde von Hanna empfangen. Sie gab mir eine kurze Einführung.

Die anderen saßen schon im Kreis. Herzlich begrüßt, stellte ich mich knapp vor und setze mich neben Jona, der mir den Platz neben sich angeboten hatte.

Etwas überreizt von der Ankunft und all den neuen Eindrücken betrachte ich das neue Umfeld, in dem ich mich die kommende Woche bewegen und noch viele tolle Menschen kennenlernen sollte. 

Austausch von spannenden Ideen, Geschichten, Projekten warteten auf uns. Vieles entfaltete sich in den nächsten Tage sehr organisch. Dynamisch. Selbstorganisiert.

Über 30 Utopist*Innen auf einem Haufen – ich weiß nicht, ob ich Vergleichbares, außer im Kunstkontext, schon erlebt hatte. 

Es dauerte einige Tage, um mich komplett auf alles einlassen zu können, doch nachdem meine pandemiebedingten, im Unbewusstsein eingespeicherten, semi-soziophobischen Verhaltensstrukturen von mir überwunden, wäre ich gerne mindestens noch eine weitere Woche geblieben. 

Es wurde ein eigenes Geflecht durch die Handlungen der Einzelnen gesponnen. Doch nur dadurch, dass zuvor Menschen sich entschlossen, ein Terrain zu erschließen und dies zu gestaltet, der das „Utopie spinnen“ überhaupt erst zulässt. Solche Orte gleichen seltenen Fundstücken. Worin Menschen sich noch frei entfalten und selbstorganisiert ausprobieren dürfen. Oder bewusst: wollen. 

Ernst Bloch schrieb über den Tagtraum als potentielle Geburtsstätten von Fantasien, worin utopisches Denken stattfinden kann.

Ich kenne das Künstleratelier oder den Proberaum als Entfaltungsraum. Wo Lärm, Dreck und Fehler nicht nur gemacht werden dürfen, sondern notwendigen Komponenten sind. Wo die Maske fällt. Das (Sich-)Ausprobieren-Können und Sich-Darüber-Austauschen-Dürfen ist wichtig, um überhaupt zu neuen Eindrücken zu kommen, die im besten Fall neue Ideen erzeugen. 

3.) Was wird alles möglich, wenn die Zeit da ist? 

Wer dachte, dass es nur vernünftig ist, den Kapitalismus weiter fortzuführen: Weit gefehlt! Tobi Rosswog hat uns gezeigt, dass das einzig Vernünftige ist, eine andere Gesellschaft aufzubauen, eine neue, und dass diese gar nicht so weit weg ist, wie wir alle immer glauben. Für ihn ist die kapitalistische Ära schon passé, er lebt im neuen Jetzt, wo es normal ist, dass VW das Schienennetz ausgebaut und auf Bahnen umgestiegen ist und, dass genauso viel Zeit und Wertschätzung für Putzen, Kochen und Aufräumen da ist, wie für alle anderen Arten von Arbeit. Diese Welt haben wir auch erlebt in unserer Woche in Sieben Linden. Wo wir uns umeinander gesorgt haben, weil dafür genug Zeit war und wir uns beim gemeinsamen Kochen oder Putzen besser kennenlernen konnten. Oder beim Singen oder wenn wir zusammen kreativ geworden sind. Weil die Zeit dafür da war.

Und was wird alles möglich, wenn die Zeit da ist? Weil die kreativen Potentiale in uns allen schlummern, nicht in der Welt da draußen, wo wir versuchen, sie uns zu erkaufen. Die Kreativität miteinander zu teilen, macht die Welt bunt. Diese Woche war dafür der perfekte Beweis. Ich hoffe, dass diese neue Art des Lebens sich immer mehr vergrößert und ausdehnt, bis sie das Außen ganz erreicht hat.

Das Utopial-Team

Das Utopial wurde unterstützt durch eine Förderung der Europäischen Union.

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