Ein schöner Vormittag, auch ohne Handyempfang – aber wohnen könnte ich hier nicht!

Schulklassen, Berufsschüler:innen und Student:innen kommen oft für Tagesexkursionen nach Sieben Linden, durchlaufen ein thematisches Programm und erleben das Ökodorf. Oder auch die Ruhe im „Haus der Stille“. Oder eine persönliche Ermutigung. Nicoletta berichtet beispielhaft und anschaulich aus ihrer Arbeit mit den Berufsbildenden Schulen.

Vor sieben Jahren wandte sich die Berufsschule Salzwedel (BBS) zum ersten Mal an uns: Das Modul „Gemeinschaft – kooperativ und stark“ könnte interessant sein für ihre Klassen, die sich auf den Hauptschulabschluss vorbereiten. Für diese neu zusammengestellten Jahresklassen ist der Zusammenhalt und kooperatives Handeln eine unbedingte Voraussetzung um den Abschluss wirklich auch gemeinsam zu schaffen. Dafür hat die BBS eine Teambuilding-Woche zu Schuljahresbeginn installiert und in diesem Rahmen wurde eine eintägige Exkursion ins Ökodorf angefragt – für bis zu sieben Klassen hintereinander.

Als die ersten Klassen das Ökodorf für 2,5 Stunden besuchten und begleitet wurden, gab es noch viele Vorurteile im Bezug auf diese unbekannte Lebensform einer Gemeinschaft und im Bus nach Poppau hörten die Lehrer:innen manchmal lautstarken Protest da jetzt hinfahren zu müssen.

Während Teambuilding und die Klassengemeinschaft im Vordergrund standen, fanden Gespräche zum unbekannten Ökodorf-Lebensstil eher in den Pausen und oft sehr persönlich statt. Von Jahr zu Jahr entstand mehr Offenheit gegenüber gemeinschaftlichen Lebensmodellen, durch Sammeln von Erfahrung, geduldig beantwortete Fragen und gemeinsames Erleben.

Die BBS meldete zurück, dass die Feedbacks der Schüler:innen sich immer positiver darstellten. Beeindruckt waren sie beispielsweise davon, dass wir gemeinsam unsere Häuser bauen und einen großen Selbstversorgergarten haben. Auch die Waldarbeit beeindruckte sehr. Ebenso die Offenheit der Referent:innen den Teilnehmer:innen gegenüber, sie mit Ihren Meinungen und Fragen ernst zu nehmen.

Das baute die Vorurteile immens ab . Mittlerweile kommen Klassen mit jungen Erwachsenen, die den Ausflug ins Ökodorf als besonderes Erlebnis und als Chance wahrnehmen. Viele zeigen sich offen und ehrlich den ReferentInnen gegenüber. 

Das Teambildung besteht aus interaktiven Übungen und Spielen , wie der „Teamkran“ an dem die ganze Klasse zeitgleich beteiligt ist. Oder vor dem „Haus der Stille“ eine Holzstamm-Säge-Aktion und Holz-Spalten. Diese Partner:innenübung wird von den Lehrkräften und der Leitung des Moduls handwerklich und sicherheitstechnisch begleitet. Sie erfreut sich in jeder Klasse großer Beliebtheit, da sie zum einen zeigt, was die Schüler:innen schon können oder neu erlernen und zum anderen sie an eine Thematik der Waldarbeit heranführt.

Im „Haus der Stille“ kann man den urigen, finnischen Masseofen aus Lehm kennenlernen, der das gespaltene Holz dann im Winter verheizen wird. Nebenbei erfahren sie die innere und äußere Ruhe im „Haus der Stille“. Wir sitzen im stillen Raum und werden innerlich still oder lauschen einem spontanen Lied, welches in zarten Tonlagen über zittrige Lippen kommt. Denn das ist mehr als ungewöhnlich – singen vor den Anderen. Beides kommt vor, singen und schweigen. Manchmal halten sie die Stille nicht aus.

Der Vormittag ist so vielfältig aufgebaut, das von Partner:innen- über Kleingruppen- bis Gesamtklassenübungen alles dabei ist. Die Teilnehmenden werden beispielsweise bei der Holzübung eingeladen, als Paare ihre Herausforderung selbst auszusuchen aus einem großen Holzstapel, der unseren Jahresvorrat an Brennholz beherbergt. Das gefällt Ihnen, nicht zugewiesen bekommen, sondern selbst entscheiden und das dann zu schaffen.

Und sie sind neugierig, schauen auf alles, entdecken und fragen! Das gefällt mir als Referentin sehr. Ich plane den Ablauf des Vormittags immer so, dass Zeit bleibt für den Besuch der Alpakas. Und wenn bis dahin es immer noch einen Teilnehmenden gegeben hat, der:die sich noch nicht ganz in der Gruppe gefunden hatte, ging spätestens dort das Herz auf und das Eis war gebrochen.

Die abschließende Feedbackrunde bringt immer wieder bemerkenswerte Sätze hervor wie :„Ich finde es hier wirklich beeindruckend, was Sie hier selbst machen.“… „Ich möchte gerne ein Praktikum hier im Wald m in den ersten zwei Jahren achen“… auch „Das war ein schöner Vormittag, auch ohne Handyempfang, aber wohnen könnte ich hier nicht!“ bis hin zu „Wie kann ich hierher ziehen?“. Auch die Art und Weise, konstruktive Feedbacks zu geben und friedliche Kommunikation zu üben, ist Bestandteil des Moduls und verbessert das Verhalten innerhalb der Klasse und den Referent:innen und Lehrer:innen gegenüber.

Eine besondere Rückmeldung bekam ich nach einer Stunde von einem 18-jährigen jungen Mann, der mich zunächst gebeten hatte, ihn mit dem Nachnamen und mit „Sie“ anzusprechen… (was in der Regel bei Abfrage am Beginn des Tages immer bei allen zum gemeinsamen „Du“ wird): “Das „Du“ ist jetzt okay für mich und mein Vorname ist…“, nach weiteren anderthalb Stunden erzählte er mir auf dem Weg zur Busstation mit seiner Klasse im Vertrauen „Ich habe gemerkt, dass du wirklich mich gemeint hast. So wie du mit mir gesprochen hast, dass kenne ich so nicht, und weil ich glaube, dass ich dir vertrauen kann, hab ich dir das „Du“ dann später doch noch angeboten“.

Die Module dienen eben auch dem Ziel, jemanden wieder bei sich ankommen zu lassen oder Mut zu fassen sich zu zeigen, an sich zu glauben oder an die Menschen drumherum.

Das ist doch allemal Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Nicoletta Geiersbach
Mehr zu Nicoletta
Referentin für BNE und globales Lernen, Team-Bildung, Theater- und Spielpädagogin, Soziokratie & Bewegung

Kommt gern zur Familien-Urlaubswoche in Sieben Linden, die auch Nicoletta mit leitet! 
14.-21.07.2024 Familien-Urlaubswoche. Für Familien mit Kindern ab 4 Jahre. 

Das könnte Dich auch interessieren...