Ökodorf Sieben Linden Podcast

In der Corona-Krise stößt die Gesprächskultur immer wieder an Grenzen. Wie können wir uns über unterschiedliche Positionen hinweg als Menschen sehen, hören, verstehen? Stefan Althoff ist Trainer für Gewaltfreie Kommunikation und lebt seit über 30 Jahren in Gemeinschaften, aktuell in Sieben Linden. Stefan erklärt, wie die eigene innere Haltung das Verhältnis zum andersdenkenden Mitmenschen radikal verändern kann. Er zeigt 4 Möglichkeiten der Gewaltfreien Kommunikation auf, wie wir in Konflikten nicht reagieren, sondern bewusst agieren können. Das ist besonders hilfreich in der derzeitig angespannten Corona-Zeit, die voller Missverständnisse, Vorwürfe und Kontroversen ist. Zum Beispiel mal mit Giraffenohren zuhören statt sofort lospoltern! Diese 4 Tipps kannst du nach dem Hören dieses Podcast selbst ausprobieren und damit erste Schritte machen.

Stefan Althoffs Website: https://www.schrittemachen.de/

Gewaltfreie Kommunikation-Seminare mit Stefan 2022 in Sieben Linden:

06.-08.05.2022 Gewaltfreie Kommunikation – brauche ich das?

07.-12.08.2022 GFK und Urlaub
14.-16.10.2022 Gewaltfrei mit dem inneren Kind kommunizieren. GFK Intensiv-Übungsseminar

Autorin: Simone Britsch
Mail: podcast@siebenlinden.org
Interviewpartner: Stefan Althoff


Veröffentlicht unter der Creative Commons (CC BY 4.0),
Copyright Freundeskreis Ökodorf e.V., 12.2.22

Der Podcast zum Lesen

Simone: In der Coronakrise stößt die Gesprächskultur immer wieder an Grenzen. Wie können wir uns über unterschiedliche Positionen hinweg als Menschen sehen, hören und verstehen? Stefan Althoff ist heute mein Gesprächspartner und er ist GFK-Trainer. Hinter GFK verbirgt sich Gewaltfreie Kommunikation. Stefan erklärt wie die eigene innere Haltung, das Verhältnis zum andersdenkenden Mitmenschen radikal verändern kann. Er zeigt vier Möglichkeiten auf wie wir in Konflikten nicht reagieren, sondern bewusst und gewaltfrei agieren können. Diese vier Tipps kannst du nach dem Hören dieses Podcast selbst ausprobieren und damit erste Schritte machen. Schrittemachen.de ist auch Stefans Website. Herzlich willkommen Stefan, ich freue mich auf unser Gespräch über Gewaltfreie Kommunikation.

Stefan: Simone grüß dich, guten Morgen.

Simone: Ja, GFK ist die Abkürzung für „Gewaltfreie Kommunikation“ und das ist ein etwas provokanter Titel. Was verbirgt sich denn dahinter, kannst du uns einen Einblick geben?

Stefan: Ja, gerne. GFK – Gewaltfreie Kommunikation. Das ist ein Titel, der immer wieder Irritationen hervorruft. Und es geht darum, wirklich anders mit sich und mit anderen umzugehen.

Marshall Rosenberg, er hat die Gewaltfreie Kommunikation entwickelt, hat gesagt: Es geht immer um Bedürfnisse. Bedürfnisse beschreibt er als die Motoren, das was uns antreibt im Leben.

Was ist das eigentlich, was uns antreibt?
Durch diesen Fokus hat er gezeigt, dass wir anders miteinander und mit uns selber umgehen können. Es ist also eine Haltung und nicht eine Methode.

Simone: Also, wir lernen in der gewaltfreien Kommunikation nicht die zehn besten Kommunikationsmethoden, sondern wir lernen anders auf den anderen zuzugehen und anders mit uns selber umzugehen.

Stefan: Genau, das ist die Kernaussage in der gewaltfreien Kommunikation: Wie kann ich miteinander umgehen, jenseits von richtig und falsch? Es gibt also nicht diese Bewertung „richtig“ und „falsch“, sondern: „Ah, okay. So siehst du das, so sehe ich das und darum mache ich das.“ Ein wichtiger Teil ist die Frage: Was bewegt mich eigentlich? Was bewegt den oder die andere?

Simone: Ich würde gerne darauf zurückkommen, dass wir uns nicht auf „richtig“ und „falsch“ fokussieren, weil das hat bei mir gleich ziemlich Resonanz in der derzeitigen Coronakrise ausgelöst. Wo wir Positionen gegeneinander stehen haben, die sehr verhärtet sind und wo die Menschen wirklich aufeinander herumhacken. Siehst du in solcher Situation Gewaltfreie Kommunikation auch als hilfreich an?

Stefan: Ja, auf jeden Fall. Also das ist ein klassisches Thema und aber auch eine ziemliche Herausforderung. Also Gewaltfreie Kommunikation ist nichts was man lernt und dann kann man das, sondern es ist immer wieder weitermachen. Monika Flörchinger, eine GFK Trainerin bei der ich viel gelernt habe, hat immer gesagt: „Wir scheitern uns voran.“
Also immer wieder ein Stückchen weitergehen und wenn es nicht klappt: „Ja, okay.“
Das ist wie bei Kindern, die lernen Gehen auch in dem sie hinfallen und wieder aufstehen und nicht liegen bleiben. Das ist das wichtige: Nicht dabei stehen bleiben!

Ja und in den Fall Corona ist es eben auch so, wir gucken: Wie können wir die andere Seite besser verstehen und uns selber erstmal verstehen?

Und das ist worum es geht: Was bewegt mich, wenn ich die eine oder die andere Haltung oder Meinung einnehme? Worum geht es mir da eigentlich?

Das ist das schöne an der GFK, dass wir eben verstehen können was uns selber und was die andere Person antreibt. Und das ist oft ganz ähnlich!

Simone: Würdest du sagen, dass in der Coronakrise einen Dialog der mehr aus einer Haltung von Verständnis beginnt, als meiner politischen Position, uns voran bringen kann? Und wie könnte das eigentlich gehen?

Stefan: Ja, natürlich kann uns das voranbringen. Voranbringen in dem Fall, dass wir wieder miteinander in Verbindung kommen. Das ist gerade jetzt ganz wichtig, wo ganz viele persönliche Kontakte auch eingeschränkt sind. Als Menschen sind wir soziale Wesen und brauchen es mit anderen in Verbindung zu sein.

Als Hilfestellung hat Marshall Rosenberg Figuren eingeführt. Es gibt die Giraffe und die Giraffensprache ist die gewaltfreie Kommunikation. Das Bild, welches er darin gesehen hat ist, dass die Giraffe eben hinter die Sachen gucken kann. Die Giraffe kann also dahinter schauen, was wir gerade machen, was unsere Strategien sind, wie wir mit etwas umgehen.

Sie erkennt unsere Beweggründe: Was ist denn da? Was treibt uns eigentlich an? Was bewegt uns da? In diesen Beweggründen sind wir einander sehr ähnlich und das schafft Verbindung.

Simone: Also, die Giraffe hat einen langen Hals. Sie kann die Metaebene sehen und sich vielleicht ein bisschen von den eigenen inneren Aufregungen lösen. Und sie hat auch Giraffenohren.

Stefan: Sie hat Giraffenohren genau. Das ist auch so eine Möglichkeiten/ Spielereien einfach mal zu gucken: Okay, wenn ich mir die Giraffenohren aufsetzte, dann höre ich etwas anderes.

Dann höre ich die Worte, aber oft sind es Alltagsworte, die wir so raushauen. Und die Giraffe, die guckt dahinter und hört eben anders.

Deshalb ist auch nicht notwendig, dass beide giraffisch sprechen, sondern wenn eine Person schon mit Giraffenohren hört, dann hört sie keine Vorwürfe mehr. Dann hört sie: „Ah, was möchte die andere Person? Was ist denn wirklich dahinter?“ Und die andere Person, die kann auch ich sein. Also was will ich denn, wenn ich diese Meinung vertrete?

Also das ist für mich sehr wichtig gewesen, als ich das kennengelernt habe, zu sehen: „Boa, das hilft mir mich zu verstehen und dann auch die anderen Personen besser zu verstehen.“ Das war ein Schlüsselerlebnis für mich.

Simone: Ja schön, dass du uns auch ein bisschen persönlich teilhaben lässt, an dem was dich als Mensch und GFK-Trainer bewegt. Wie bist du denn zur GFK gekommen? Und gibt es da so ein Schlüsselerlebnis oder so eine Qualität, die du darin findest?

Stefan: Ich habe das zufällig kennengelernt bzw. im Nachhinein sehe ich, dass ich mich dahin entwickelt habe. Ich habe eine Yogaausbildung gemacht und da geht es viel darum, wie funktionieren Menschen erst gut? Der erste Teil waren Körperübungen, aber dann kam ganze Psychologie dahinter. Wie können wir in Verbindung sein? Was macht Menschsein eigentlich aus? Und darüber habe ich dann auch die Gewaltfreie Kommunikation kennengelernt. Und dabei habe ich gemerkt da kommt die Essenz raus, das bewegt die Menschen.

Als ich das gelernt habe, habe ich noch in einer anderen Gemeinschaft gelebt und gemerkt: Das hilft uns auch in Gemeinschaft gut miteinander sein zu können, wenn wir die verbindende Elemente sehen. Und ich glaube, dass Gemeinschaften gut funktionieren, wenn sie diesen Gedanken mit dabei haben und diese Haltung immer mehr leben.

Mich hat begeistert, dass wir – sowohl damals die Gemeinschaft Kommune Niederkaufungen oder auch wir hier in Sieben Linden – dadurch Chancen haben und Stabilität erlangen, indem wir einfach immer wieder auf die verbindenden Sachen gucken. Und dann habe ich halt die Ausbildung gemacht und bringe das nun einfach auch gerne ein, weil ich denke dass das hilft.

Simone: Ja, du lebst ja seit über 30 Jahren in Gemeinschaften und hier in Sieben Linden jetzt auch schon sehr sehr viele Jahre. Und du hast da wirklich immer wieder gute Impulse gesetzt mit der gewaltfreien Kommunikation, sodass ich eigentlich wahrnehmen: Wir haben insgesamt ein recht hohes Kommunikationsniveau, wo die Menschen sehr reflektieren und sich auch hinterfragen. Ja vielleicht nicht so schnell aufeinander losgehen. Natürlich gibt es ja auch Streit klar.

Stefan: Also Streit gibt es immer, auch mit der gewaltfreie Kommunikation, das ist wichtig zu wissen. Es geht nicht darum immer nur nett zu sein. Ein amerikanischer Trainer hat ein Buch geschrieben: „Sei nicht nett, sei echt.“ Es geht darum echt zu sein.
Aber man kann echt auf verschiedene Weise sein. Ich könnte einfach jemanden vor die Nase knallen, das ist dann Wolfssprache, das man einfach mal raushaut. Und die Giraffe hat die Aufgabe dann zu gucken: „Okay, was könnte dahinterstecken?“ Die kann den Wolf übersetzen und die sind Freunde Giraffe und Wolf. Da sind jetzt nicht der Böse und die Gerechte/ die Gute, sondern die Giraffe hat einfach ein bisschen Übersetzungstalent.

Spannend finde ich die Frage: Was hilft uns dabei eigentlich?
Da habe ich ein Beispiel dafür, in einem Training hatte ich eine Frau, die mit ihrer pubertierenden Tochter Schwierigkeiten hatte. Sie hat gefragt was sie da machen kann, weil sie von ihrer Tochter so oft genervt ist. Sie hat gesagt sie kommt mittags nachhause von der Schule als Lehrerin und ist genervt und will Pause haben. Kommt ins Wohnzimmer rein und da liegt das Chaos von der Tochter auf dem Boden. Die Tochter kommt von der Schule, schmeißt die Sachen dahin und geht in ihr Zimmer. Und die Mutter kommt und will einfach entspannen. Sie fragt im Kurs: „Was soll ich denn da machen? Da geht doch nichts.“

Zusammen haben wir dann – mit der Giraffe – herausgefunden: Was möchtest du eigentlich? Was brauchst du denn? Klar, die Tochter könnte aufräumen, das wäre eine Sache. Aber was sie eigentlich braucht ist Entspannung, sich hinsetzen und einfach mal Ruhe haben. Das kann sie nicht, wenn sie das Chaos sieht. Okay.
Dann haben wir überlegt: Was könnte sie machen? Sie könnte sich den Kaffee nehmen und auf die Terrasse setzen. Oder eine Möglichkeit wäre auch die paar Sachen hinters Sofa zuschmeißen und in einem schön aufgeräumten Wohnzimmer sitzen. Und dann ist natürlich nicht Schluss damit, sondern hinterher kann sie mit der Tochter mal in Ruhe reden und sagen: „Hör mal, ich kommen mittags nachhause und ich möchte es ordentlich haben.“

Und sie war so erleichtert, dass sie einen Weg gefunden hat, was sie machen kann. Da sagte sie: „Achso, das ist das was wir uns mit der GFK erarbeiten können. Einfach ein: Achso, man könnte es auch anders machen.“

Simone: Das klingt tatsächlich sehr simpel, aber auf simple Sachen muss man auch erstmal kommen. Weil der Autopilot will vielleicht erstmal ein bisschen rumbrüllen oder Luft ablassen und das jetzt verändern, und dann erst in Ruhe Kaffee trinken. Da einen Schritt hinter die Situation, sich selber, zu treten, das klingt einfach.

Stefan: Ja genau, das ist der Autopilot oder das was wir gewohnt sind.

Wir sind auch gewohnt, dass Kinder den Erwachsenen gehorchen und das machen was die Erwachsenen sagen. So sind wir noch getrimmt, unsere Eltern kommen aus dem Kaiserreich womöglich. Und da zu sehen, es gibt auch andere Wege.

Natürlich wäre schön, wenn die pubertierende Tochter von sich aus aufräumt. Aber macht sie gerade nicht und da zu gucken: Okay, was können wir denn tun? Was können wir denn verändern? Damit wir das Leben ein bisschen leichter haben.

Simone: Ja, ich glaube das wünschen sich gerade einige. Also ich komme mal zurück auf die Pandemie und verhärtete Positionen, Risse die durch Familien, durch Organisationen, durch Teams, durch Freundeskreise gehen. Ich finde es sehr schmerzhaft zu beobachten, was gerade mit Menschen passiert, mit Zwischenmenschlichkeit passiert, die eigentlich mal harmonisch und positiv waren ja. Und da bitte ich dich Stefan: Du hast vier Hinweise, Möglichkeiten mitgebracht. Wie gesagt, du sagst es ist keine Methode, aber du hast ein paar hilfreiche Hinweise.
Was kann ich machen? Ich habe mich auch dabei erwischt, dass ich verhärtete Positionen habe. Was kann ich machen, wenn ich eine innere Anspannung habe, eine bestimmte Meinung gerade in dieser wirklich schwierigen Pandemie vertreten will und merke: „Mensch, der andere/ die andere steht ja ganz woanders als ich. Wie kann das denn sein? Ich hab doch Recht. Ich meine, ich hab doch den einen Artikel gelesen und das eine Video gesehen. Hast du das nicht wahrgenommen oder was?

Ja, Hinweis Nummer eins bitte Stefan: Was kann ich machen?

Stefan: Die Tipps, die ich geben kann sind recht simpel. Das ist nicht so komplex, aber wir müssen ein bisschen üben.
Was ich zuerst nennen möchte ist: Zuhören, der anderen Person.

Ja, wirklich Zuhören und vielleicht ein bisschen verändert zuhören, also mit Giraffenohren.

Also nicht das bewertende Zuhören, sondern dahinter zu gucken: „Ach, was bewegt dich eigentlich?“

Wenn dann jemand sagt: „Ich hab diese Meinung, das ist ganz wichtig.“ Und dann zu sehen: „Ach, es geht darum. Das ist das was dich gerade antreibt.“ Das sind oft Bedürfnisse, wie Schutz oder Sicherheit. Zu erkennen was dahinter liegt, schafft oft mehr Verbindung mit dem anderen.

Simone: Ja also, gut Zuhören, Verständnis aufbauen. Auch durchatmen und sich erstmal entspannen, sonst kann ich das auch gar nicht.

Stefan: Ja, klar.

Simone: Das war ein guter erster, hilfreicher Hinweis. Was hast du noch mitgebracht, aus der Schatzkiste der gewaltfreien Kommunikation. Hinweis Nummer zwei.

Stefan: Ja also, das ist ein Teil der gewaltfreien Kommunikation, den man auch in Schritte fassen kann. Zum einen wirklich auf die eigenen Gefühle hören und die wahrnehmen: Was bewegt mich denn gerade? Weil das was wir erleben können sind unsere Gefühle.

Das sind wir nicht so gewogen, wir gucken eher nach Fakten und sind ganz viel im Kopf. Aber wichtig ist das was der Körper uns sagt, das ist unser Instrument im Leben.

Es gibt vier Grundgefühle und die nehme ich mir dann oft vor, dass sind Freude und Ärger, dann Angst oder Sorge und Trauer. Und danach zu gucken und sich zu fragen: Fühle ich mich gerade so…?

Das ist so simpel, weil wenn ich mich frage: „Bin ich gerade traurig?“ Dann merke ich selber: „Ne, ich bin gerade eher ärgerlich.“ oder „Naja, ich bin schon ein bisschen besorgt.“

Und danach zu gucken und die Gefühle, die helfen uns zu sehen: Was brauche ich eigentlich gerade?

Losgelöst von solchen Strategien: Ich brauche gerade einen Kaffee oder ich brauch gerade dies oder das. Und dann: Was habe ich denn dann, wenn ich das habe? Danach gucken: Okay, das wäre mir gerade wichtig.

Und brauchen ist nicht von einer anderen Person, sondern ich kümmere mich darum. Wenn die andere Person hilft, super gut. Aber erstmal ist es meins: Das ist mir wichtig, das möchte ich gerade erreichen.

Und bei der anderen Person auch zu gucken, also deinem Gegenüber mit dem du gerade vielleicht eine Diskrepanz hast: Ach ja, wie geht es der/dem denn gerade? Das zu sehen hilft uns, das schafft Verbindung.

Simone: Was bei mir auf jeden Fall auch Resonanz hat an diesem Vorschlag mehr aufs Fühlen zu achten, ist eben aus dem Kopf raus zu gehen. Weil diese ganze Debatte in der Pandemie auch gerade, die ist einfach von Zahlen geprägt, von Fakten, von Faktencheckern und von ganz viel Kopf.

Und es ist auch gut nachzudenken und wir brauchen die Fakten. Aber ich denke das was du sagst, dieses Fühlen ist auch eine ganz entscheidende Ebene, die wir wieder mehr mit rein nehmen sollten im zwischenmenschlichen Bereich auch gerade.

Stefan: Ja und das nicht als Selbstzweck, das kann man auch machen ja. Aber das ist nicht als Selbstzweck, sondern das ist das was uns zeigt: Was brauche ich gerade?
Ich kenne auch Leute, die da sagen: Och nö, wofür? Aber Gefühle zu sehen, das ist ein super Instrument.

Simone: Ja, Gefühle als Wegweiser. Das war jetzt so der zweite Hinweis von dir. Was hast du noch mitgebracht? Die dritte Möglichkeit für eine bessere Kommunikation.

Stefan: Es gibt in der gewaltfreien Kommunikation bzw. in der Szene so immer mal wieder, so kleine Sätze bzw. Abkürzungen z.B. „KPU“.
KPU heißt abgekürzt „Konsequent positive Unterstellung“. Also wenn ich bei allem was ich sehe eine positive Unterstellung mache. Das sollte was gutes werden, ist es vielleicht nicht. Also die Strategien sind oft ziemlich daneben, das ist klar. Aber immer wenn Leute was tun, da wollen sie etwas das eigentlich dem Leben zuträglich ist.

Diese Haltung, die ist nicht ganz leicht zu lernen, sich immer wieder zu erinnern: „Okay, eigentlich wollen alle Leute irgendwas zum Leben beitragen.“ Das gelingt uns nicht immer so, aber diese Haltung zu haben hilft, dieses: „Ja, ich unterstelle einfach mal mir, wenn ich was mache und das hinterher bedauere. Dann bedauere ich das zwar, aber ich wollte was gutes erreichen.“

Und für die andere Person wird es auch genauso sein, egal was das dann ist: Ob das jetzt nun impfen ist oder nicht impfen, oder Demo keine Demo, Spaziergänge. Glauben alles Mögliche.

Wir leben in einer Welt, wo so viel Informationen verfügbar sind. Du kannst für alle Sachen Studien in die eine Richtung und in die andere Richtung finden. Und sich da loszulösen von diesem: „Ja das ist richtig und das ist falsch.“ sondern „Wie geht es dir? Was ist da?“

Und da einen forschenden Geist zu haben, das ist auch die Giraffe. Die guckt: „Was ist denn da, was kann ich denn da entdecken?“ Und dann als Vermutung, nicht als: „Das habe ich jetzt gesehen so ist es!“ Wir alle Menschen haben das nicht so gerne, gesagt zu kriegen was stimmt.

Simone: Unterstellungen ja und KPU macht einfach erstmal ein positives aufeinander zugehen. Konsequent positive Unterstellung, bedeutet erstmal gehe ich davon aus: „Ja, du hast dir auch nen Kopf gemacht, jetzt in der Krise. Dir ist es auch nicht egal was mit Leuten passiert und bist aber zu anderen Schlussfolgerungen gekommen. Die versuche ich jetzt mal zu verstehen.“
Schöne Haltung, hilfreiche Haltung. Also KPU werde ich mir merken. Das kann ich mir auch gut merken, es sind ja nur drei Buchstaben, das ist recht griffig.

Ja und dann einen letzten Hinweis noch von dir. Eine innere Haltung zu verändern in der jetzigen Zeit.

Stefan: Das was dieses Zentrum der GFK ausmacht, das finde ich auch gerade in der Coronakrise ganz hilfreich. Eben auf das gucken was uns gemeinsam ist, auf die Gemeinsamkeiten gucken.

Bei den vielen Trennungen, dem Abstand halten, da passt es doch super gut zu gucken: „Was ist denn das was uns verbindet?“ Auch wenn wir vielleicht in zwei verschiedenen Räumen sind, zwei Meter Abstand halten oder ähnliches. Es gibt trotzdem etwas das uns verbindet und das allen Menschen gemeinsam ist. Das ist auch etwas das Marshall Rosenberg herausgefunden hat, es sind diese Bedürfnisse. Danach zu schauen, was uns eigentlich antreibt. Und es sind eigentlich gar nicht so viele Bedürfnisse, die dafür wichtig sind.

Es gibt ein paar die uns antriggern und das ist z.B. Autonomie, Selbstbestimmung. Und wenn die gefährdet ist oder gefährdet scheint, dann gehe ich auf die Barrikaden und das erleben wir gerade so.

Simone: Und das andere ist ganz klassisch Sicherheit (auch in der Coronakrise), oder? Also dieses Paar sehe ich ganz stark als polarisierend. Dieses Pärchen Sicherheiten und Freiheit/ Autonomie sehe ich ganz klar als Bedürfnisse, die erst mal scheinbar konkurrieren in der Coronakrise.

Stefan: Ja, wobei ich das auch nochmal hinterfragen würden, ob es wirklich so gegensätzlich ist?
Weil auch die Leute, die jetzt Freiheit nach vorne stellen, die wollen auch Sicherheit haben.
Alle brauchen Sicherheitsschutz, das ist eine ganz wichtige Sache.

Auch Zugehörigkeit ist ein anderes, ganz zentrales Bedürfnis. Ich muss bzw. möchte eine Zugehörigkeit haben, die jetzt auch gerade wieder sehr in Frage gestellt ist oder sehr verändert ist. Wo ist denn meine Gruppe, wenn ich Abstand halte, wenn ich keine Freundinnen mehr besuche oder ähnliches? Das fehlt mir dann oft und dann merke ich: „Ach, da kann ich mich zugehörig fühlen, zu der Gruppe oder zu dieser Meinung.“ Und da zu sehen: „Ach, das ist ein Stück von dem was wir alle gerade machen, suchen.“
Die Bedürfnisse die stehen nicht gegeneinander. Also auf der Strategieebene gibt es Widersprüche oder gegensätzliches. Aber die Bedürfnisse, die haben wir alle und das ist eben das was uns verbindet, das was uns gemeinsam ist. Es ist also wichtig zu sehen: Okay, aha! Sicherheit ist mir auch ganz wichtig. Autonomie, Selbstbestimmung will ich natürlich auch. Und das haben wir beide.

Diese ganzen Bedürfnisse, die haben wir alle und manchmal ist das eine mehr im Vordergrund, manchmal das andere. Und das was wir daraus für Schlussfolgerungen ziehen, diese Strategien, die sind dann vielleicht unterschiedlich. Aber zu sehen: Ach, da sind wir gleich. Das macht ganz viel aus, dass wir nicht nur das Trennende sehen, sondern eher das Verbindende.

Simone: Ja, danke für diese Übungshinweise. Ich denke man ahnt, wenn man dir zu hört, dass das kein ganz einfaches Kapitel in einem Buch ist, was ich lese und dann kann ich es oder ich schaue mir kurzes Lehrvideo an. Sondern es ist ein Übungsweg, die gewaltfreie Kommunikation und ein Weg für Persönlichkeitsentwicklung. Und ich denke das kann man ganz besonders gut lernen, wenn man es in einer Gruppe tut. Zum Beispiel in einem Seminar von dir.

Stefan: Ja natürlich das ist eine gute Möglichkeit, wie man das lernen kann. Also das auch mal zu erleben und da gehe ich auch immer mehr hin. Also gar nicht so die Inhalte zu vermitteln, die kann man sich wirklich im Buch angucken. Anders als du das vielleicht gerade gesagt hast. Aber dieses Erleben und das Machen und das Fühlen: „Ach so fühlt sich das an.“ Das ist das, was wir im Seminar gut machen können oder in Übungsgruppen. Und so den ersten Einstieg kann man zum Beispiel im März beim Einführungswochenende machen oder dann gibt es auch andere Sachen, wo wir tiefer einsteigen können.
Ich kenne nur den einen Weg: üben üben üben. Und sich immer wieder daran erinnern und neue Anregungen holen. Das kann man natürlich super gut machen.

Simone: Ja, üben im Kontakt mit anderen und im Austausch und auch mit Feedback und so weiter. Stefan vielen Dank dafür.

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