Permakultur: de-kolonisierend, gerecht und nachhaltig

Hast du dich schon mal gefragt, was Permakultur eigentlich genau ist? Der folgende Beitrag erklärt es und macht Lust auf mehr Permakultur in deinem Leben … – und das unter globalen Gesichtspunkten! Permakultur kann zu einer Lebensphilosophie werden, doch zunächst ist sie ein Gestaltungswerkzeug, um selbstermächtigt ins Handeln zu kommen. Die Permakultur bietet ein sehr gutes Navigationssystem und Strategien für die drängenden Fragen unser Zeit – und zwar dekolonisierend, gerecht und nachhaltig. Sie befähigt uns, einen eigenen Beitrag zur sozio-ökologischen Transformation zu leisten. 

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Hier ein Auszug aus dem Artikel „Permakultur dekolonisieren“ von Sandra Passaro aus dem neuen „Praxisbuch Transformation dekolonisieren. Ökosozialer Wandel in der sozialen und pädagogischen Praxis“: 

„Ich bin Diplom-Designerin für angewandte Permakultur und schätze an der Permakulturellen-Gestaltung, dass sie – vorausgesetzt, sie wird korrekt angewendet – die Vergangenheit und die Gegenwart mit der Zukunft verbindet. Durch meinen beruflichen Hintergrund als Kulturmanagerin im internationalen Kulturbetrieb entwickle ich seit zwanzig Jahren Kultur-Programme für Institutionen, Netz­werke, Produzent*innen und Kulturkreative. Bestärkt durch meinen eigenen Migrationshintergrund und Neugier anderen Kulturen gegenüber, sind mein beruflicher Radius und mein Blick stets weltweit ausgerichtet. Mein Anliegen ist es, virtuelle oder physische Räume zu gestalten, in denen Dialoge und ein trans­disziplinäres Arbeiten zwischen Menschen diverser kultureller Herkunft ermög­licht wird. Durch meine Tätigkeit als Kuratorin und Permakultur-Designerin setze ich mich seit 2014 mit dekolonisierenden Ansätzen auseinander. 

Mir wurde bald klar: Diese ganzheitliche Designmethode ist außerdem eine Philosophie und Lebenshaltung. Ich bin davon überzeugt, dass sie der Schlüssel zur Lösung unserer persönlichen wie globalen Probleme sein kann. Was ich zu Beginn meiner Weiterbildung vor allem spannend fand war, dass wir traditionelle Anbaumethoden und Indigene Kultivierungstechniken kennenlernten, sie somit in meinen Augen vor dem Vergessen bewahrten und sie als wichtige Praktiken der Transformation nun in die Gegenwart überführten. Oft fehlten mir allerdings mehr Informationen, der Kontext und der Ursprung einiger Methoden. Seit 2020 biete ich mit der von mir gegründeten Bildungs­plattform Hungry Cities selbst Permakultur-Kurse und -Zertifizierungen an. Hier kann ich diese Brücke schlagen und diese Themen adressieren. In diesem Beitrag stelle ich die Permakultur kurz vor, beleuchte ihre Vermittlung im Globalen Norden kritisch und spreche auf der Grundlage meiner Erfahrungen einige Handlungsempfehlungen aus, wie Permakultur in der westlichen Welt dekolonisierend betrieben werden kann. 

Permakultur als Gestaltungslehre 

Was ist Permakultur eigentlich genau und was kann sie leisten? Permakultur ist nicht, wie viele meinen, nur ein harmloses gemeinschaftliches Gärtnern unter Hippies, sondern sie kombiniert aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, Low-Tech-Lösungen, sowie altbewährte Anbau-Methoden, die oft einen Indigenen Ursprung haben, und Formen des gerechten, sozialen Miteinanders. Ziel ist es, lebendige Systeme so resilient zu gestalten, dass Pflanzen, Tiere und Menschen im Einklang miteinander leben, ohne die Ressourcen des Planeten auszubeuten. Der Australier Bill Mollison entwickelte die Permakulturlehre während der Energie-Krise der 70er-Jahre, um den damaligen Herausforderungen zu be­gegnen. Er lernte viel von den Indigenen Einwohner*innen Tasmaniens und sammelte Erkenntnisse darüber, die er als Fischer, Biologe und Förster über die Natur erworben hatte, außerdem trug er Indigenes und traditionelles Wissen und Techniken aus der ganzen Welt zusammen. 

Permakultur (PK) als Konzept, Designlehre oder Lebenshaltung ist von Natur aus auf gerechte Verteilung ausgelegt und schätzt Diversität und Gerechtig­keit. Bei ihr handelt es sich um eine transdisziplinäre, multiperspektivische und systemische Gestaltungslehre, die das Ziel hat, die Zukunft der Menschheit auf allen Ebenen ihres Daseins auf der Erde zu erhalten, zu verbessern und zu sichern. In ihr agiert der ethische Mensch in sozialer, ökologischer und öko­nomischer Hinsicht geleitet durch die Prinzipien der Natur. 

Permakultur geht davon aus, dass die Menschen ein Teil der Natur sind. Während Pflanzen bereits seit Millionen von Jahren auf unserem Planeten existieren, gibt es uns Menschen lediglich seit ca. 300.000 Jahren. Die Pflanzen­welt ist uns also in ihrer Evolution weit voraus und ihre Lösungen sind oft klüger als die der Menschen. So versuchen wir im Rahmen der Permakultur unsere weise Lehrerin – unsere natürliche Umwelt – genau wahrzunehmen und Zu­sammenhänge im ökologischen System zu erkennen. So wie es die Menschen auch in Europa früher einmal taten, als sie sich noch als Teil der Natur fühlten. Die Permakultur fragt: Welche Verbindungen gehen die Elemente in einem komplexen Ökosystem ein?

Welche Funktionen haben sie? Welche sinnvollen Synergien gehen sie ein? Wie kann man in lebendigen Systemen sinnvolle und naturnahe Kreisläufe ohne Abfälle erzielen? So baut die Permakultur zunächst auf der Beobachtung und dem erfahrungsbasierten Verstehen von Naturprinzipien, technisch auf altem und neuem Wissen, methodisch und wissenschaftlich auf aktuellen Erkenntnissen diverser Disziplinen auf. Insofern trifft im Permakulturdesign eben die Vergangenheit auf die Gegenwart, um mit dem Wissen der letzten Jahrtausende die Zukunft zu gestalten und damit in alle Lebensbereiche zu reichen. 

Permakultur-Designer*innen als aktive Gestaltende der sozial-ökologischen Transformation 

Permakultur-Designer*innen wollen eine lebendige Kultur von Menschen und ihren Siedlungen, integriert in die natürliche Umwelt, gestalten. Mit der Ethik, den Prinzipien und den Methoden der Permakultur als Grundlage können widerstandsfähige Systeme – ob ländlich, sozial oder wirtschaftlich – wirk­lich nachhaltig geplant werden. Ihre Ethik und Prinzipien finden sich in der regenerativen Landwirtschaft sowie in syntropischen Agroforstsystemen oder Waldgärten wieder. Man kann unter Anwendung der Permakultur einen „Selbst­versorger*innen-Garten“ anlegen. Und ebenso ein faires, nachhaltiges Geschäfts­modell planen, eine Wohngemeinschaft organisieren, oder gar ein ganzes Dorf permakulturell gestalten. Die Transition-Town-Bewegung, ebenso das Earth Ship-Movement, das globale Ökodorf Netzwerk GEN (Global Ecovillage Net­work) sowie das Ökodorf Sieben Linden sind alles Initiativen, die mit der Perma­kultur einen wahrhaftigen nachhaltigen Ansatz teilen. 

Die Permakultur Disziplinen 

Die Permakultur ist somit eine übergeordnete Gestaltungslehre. Sie geht alle Be­reiche des Lebens an, die zusammenwirkende Lebenssysteme entwickeln, und die sowohl auf alle Kontexte übertragbar als auch skalierbar ist. Die „Permakultur-Blume“ zeigt alle Lebensbereiche, die uns als Menschen betreffen, wie diese miteinander verbunden sind und wie sie aufeinander aufbauen. 

Die Permakultur Ethik 

Bill Mollison leitete aus den Praktiken und Methoden, die er gesammelt hatte, die Permakultur-Ethik ab. Sie liegt jedem Permakultur-Projekt zugrunde: sich um Mensch und die Erde zu kümmern und dabei eine gerechte Verteilung zu gewährleisten („Earth Care, People Care, Fair Share“). Diese drei ethischen Prinzipien müssen bei jedem permakulturellen Planen und Handeln erfüllt werden. Wenn nicht alle drei Punkte der Ethik eingehalten werden, ist es kein Permakultur-Projekt. Vor allem das gerechte Teilen lädt uns ein zu überprüfen, was wir wirklich brauchen, oder besser gesagt zu fragen, auf was wir verzichten können, und wie wir unsere Bedürfnisse erfüllen können ohne auf Kosten anderer zu leben.“

Wenn du neugierig geworden bist welchen Prinzipien die Permakultur folgt, wo diese herkommen und wie du dein eigenes Projekt designen kannst, dann schau doch mal welcher der folgenden Kurse etwas für dich sein könnte. Vielleicht sehen wir uns dann dort.

Ansonsten erscheint mein gesamter Buchbeitrag zum Thema Permakultur dekolonisieren in der pädagogischen Praxis und weitere spannende Beiträge zur öko-sozialen Transformation Mitte September 2023 beim Juventa Verlag, ein Projekt von Prof. Yari Or, University of applied Science, Frankfurt.

Sandra Passaro

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