Ökodorf Sieben Linden Podcast

Die Geschäfte in Sieben Linden sind geruchsneutral, arbeitsintensiv und unkonventionell. Besonders aufwändig ist die Fäkalienkompostierungsanlage. Da packt sogar der Geschäfts-Führer mit an! Spaß beiseite. Das Ökodorf hat ausschließlich Trockentrenntoiletten. Das spart jede Menge wertvolles Süßwasser. Aus über 50 Klos kommen 13,5 Tonnen Sch… jährlich zusammen, die Hinterlassenschaften der Gäste schon mit bedacht. All diese Toiletten werden seit 24 Jahren in Handarbeit zur offiziell zugelassenen Kacke-Kompostierungsanlage gebracht und dort in einem ausgeklügelten dreijährigen Prozess zu fruchtbarer Erde verarbeitet. Urin wird über ein Leitungssystem in der Pflanzenkläranlage gesammelt.

Champa Stefan Jungbluth nimmt euch mit in die Welt der Stoffkreisläufe, in der Essen, Verdauen und Humus ideal zusammenspielen. Seine Vision: eine zukünftige Low-Tech-Biogasanlage, die aus Fäkalien Biogas und Flüssigdünger produziert. Wenn er nicht gerade Verträge aufsetzt, Teams koordiniert oder zum Notar muss, ist er mit beiden Händen zupackend mittenmang dabei. Man kann es fast riechen.

Mehr Infos auf der Sieben Linden-Website:
https://siebenlinden.org/de/oekodorf/oekologie/kompost-toiletten/
https://siebenlinden.org/de/oekodorf/oekologie/wasserkreislauf/

https://siebenlinden.org/wp-content/uploads/2022/02/TrockenToiletten-und-Grauwasserreinigung-im-Oekodorf-Sieben-Linden.pdf

Autorin: Simone Britsch
E-Mail: podcast@siebenlinden.org
Interviewpartner: Champa Jungbluth

Veröffentlicht unter der Creative Commons (CC BY 4.0)
Copyright Freundeskreis Ökodorf e.V., 4.12.2021

Der Podcast zum Lesen:

Simone: Hallo, herzlich willkommen zur 18. Folge des Ökodorf Podcast aus Sieben Linden. Heute geht es um ein ganz spezielles, pikantes Thema, den Kackekompost. Wir haben in Sieben Linden über 50 Trockentrenntoiletten, die wir sage und schreibe seit 24 Jahren alle per Hand leeren, auf unserem Fäkalienkompost ausleeren, wo dann über einen jahrelangen Prozess schließlich fruchtbare Humuserde erzeugt wird. Der Urin landet in der Pflanzenkläranlage und so haben wir Kreisläufe geschaffen, die nachhaltig mit den Nährstoffen und mit der Natur arbeiten. Champa Jungbluth ist mein Gesprächspartner. Er ist Geschäftsführer im doppelten Sinne, wie uns während des Gespräches auffiel, und er kümmert sich eben unter anderem um die Fäkalien- Kompostierungsanlage, die auch offiziell zugelassen ist und auch behördlich kontrolliert wird. Champa packt mit an. Der sitzt nicht nur am Schreibtisch, sondern krempelt die Ärmel hoch und erzählt jetzt sehr saftig und fast schon riechbar über seine Arbeit und seine Vision rund um die Fäkalien. 

Simone: Hallo Champa. 

Champa: Hallo Simone. 

Simone: Schön, dass du dich bereit erklärt hast, mit mir über Fäkalien, Trocken- und Trenntoiletten und unseren Umgang damit zu reden. Und wir steigen gleich voll ein in dieses Thema. Erklär uns doch bitte mal, wie funktionieren die Toiletten und die Toilettensysteme in Sieben Linden? Das ist ja sehr anders als normalerweise die Wasserklosets, die wir so kennen. 

Champa: Richtig. Wir haben in Sieben Linden verschiedene Trenntoiletten. Die meisten Toiletten in den Häusern funktionieren so, dass wenn der Mensch sich draufsetzt, ein hinterer Teil aufgeht für die Feststoffe und die Flüssigstoffe vorne in ein Separett ablaufen und in die Pflanzenkläranlage gehen und die Feststoffe hinten zur Fäkalienverwertungsanlage kommen. Umgangssprachlich nennen wir sie KK-Anlage, also Kacke-Kompost-Anlage. Und wenn der Mensch aufsteht, schließt sich der Deckel wieder. Man kann nochmal auf den Klo-Deckel drücken und Sägespäne reintun. Genau, das sind die Toiletten in den Häusern. Dann gibt es den berühmten Klo-Tempel, der im Innenhof ist, den manche vielleicht kennen durch die Raucherecke. Da setzt sich der Mensch einfach ein altes Kompostklo ein bisschen erhöht in sogenannte Schubkarren und man wirft sein Papier rein, Deckel wieder drauf und gut ist. Und dann gibt es noch die Toiletten in den Sonneneck oder auch in den Gemeinschaftshäusern, wo ein Loch ist, wo kein Deckel aufgeht, sondern das Geschäft in eine große Tonne kommt und die da von Zeit zu Zeit dann abtransportiert werden mit einem selbstgebauten Wagen, den wir entwickelt haben, wo man eine große Tonne anschnallt und dann direkt zur Anlage fährt und die da entleeren kann. 

Simone: Ja, ich höre, es gibt ganz verschiedene Systeme, aber was Ihnen gemeinsam ist oder fast allen dieser Systeme ist, dass Urin und Fäkalien getrennt werden. 

Champa: Richtig, genau. 

Simone:

Vielleicht erklärst du noch mal, wo der Urin hingeht und was mit den Fäkalien geschieht.

Champa: Der Urin geht in eine unserer vier Pflanzentklärbeete. Vorher haben wir zwei große Vorrottebehälter, wo das ganze Brauchwasser, also aus der Küche, aus den Duschen, das Urin gesammelt wird. Und ab einer gewissen Höhe sickert das automatisch in eins dieser vier Pflanzentklärbeete. Und die Feststoffe werden von den Bewohnern oder von Menschen, die Gemeinschaftsdienst machen oder vom Freundeskreis angestellt sind zur Fäkalienverwertungsanlage gebracht, zur KK-Anlage und da in die Vorsammelbehälter geschüttet. 

Simone: Es ist eine ziemlich manuelle Geschichte, das Ausleeren der Eimer, die voll sind mit unseren Hinterlassenschaften, werden hier von unseren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern von jedem und jeder von uns ausgeleert und zur Kakekompostanlage gebracht. Das ist ja schon ein ganz schöner Aufwand, oder? 

Champa: Richtig, also es ist ein großes Luxus, was wir uns da leisten, aber wir sparen natürlich tausende von Litern Wasser. Eine normale Toilettenspülung wird drei bis fünf Liter Trinkwasser jedes Mal herunterspülen, also diese Spar-Toiletten schon. Und das kann man sich vorstellen, beim 12-13-Personen-Haushalt sind das mal locker schon zwei Badewannen voll Wasser, die so die Woche über da runtergespült werden. Und das sparen wir uns und machen das halt aus der Scheiße wieder Erde und sozusagen zu Gold. 

Simone: Scheiße zu Gold machen. Insgesamt war es natürlich eine Entscheidung gleich am Anfang des Ökodorfes, da hast du auch noch gar nicht hier gewohnt. Was ist denn für dich so der übergeordnete Gedanke dahinter, also Trockentrenntoiletten zu haben, Süßwasser zu sparen und sich eigentlich so intensiv mit der Scheiße zu beschäftigen? 

Champa: Also ich finde das wunderbar. Schon als kleiner Junge war mein Vater ein Grüner der ersten Stunde und bei uns war sehr früh eine Wasserspülung, die halt noch damals selbst gebaut war mit Gläsern im Spülkasten, damit weniger Wasser drin ist. Und ich fand die Idee, als ich das kennengelernt habe 2002, super schön und super toll, weil es halt Wahnsinn ist, dass Menschen aus anderen Ländern hierher fliegen, die hören, dass wir mit Trinkwasser unsere Scheiße runterspülen. Trenntoiletten oder Komposttoiletten gibt es überall auf dem Globus. Und in der sogenannten zivilisierten Welt leisten wir uns seit knapp 80, 90 Jahren den Luxus, das mit Trinkwasser runterzuspülen. Und ich finde das auch überhaupt nicht eklig, weil es sind ja die Reste, also es gibt den Gartenbetrieb, der das Gemüse anbaut, und das ist halt das Ende der Verwertungskette und daraus wieder auch Erde zu machen, nicht für den Garten ist und nicht fürs Gemüse, aber für Baumpflanzungen oder Sträucher, was halt benutzt werden kann, weil es auch noch mit Muttererde gemischt wird und nachher total bakterienfrei ist. 

Simone: Ein Pflanzenklärbeet kennen vielleicht mehrere von denen, die jetzt zuhören. Es macht trotzdem Sinn, nochmal die Funktionsweise kurz zu erklären. Was passiert mit unserem Urin und unserem Grauwasser im Ökodorf in der Pflanzenkläranlage in den Schilfbeeten? 

Champa: Das Pflanzentklärbeet kann man sich so vorstellen, dass es ungefähr 5 x 5 Meter groß ist, ungefähr 12 Rohre hat, die unterirdisch rauskommen aus dem Rottebehälter und immer stoßweise in dieses Pflanzenklärbeet gestoßen werden, wenn der Überlauf eine gewisse Menge erreicht hat. Und da wächst halt das Schilf, da ist ein Sand-Kies-Erdgemisch insgesamt einen Meter tief, wo es dann Schritt für Schritt in das Grundwasser wieder läuft. Also gereinigt wird das Wasser in diesem Pflanzenklärbeet, und kann dann wieder als Gartenbrunnenwasser benutzt werden zum Gießen im Sommer. Und die Reinigung erfolgt im Wurzelbereich durch viele kleine Bakterien, die eben gerade besonders gut an den Schilfwurzeln gedeihen und die letztendlich auf organische Weise alles abbauen, was nicht ins Grundwasser rein soll. 

Simone: Das ist eine geniale Erfindung. Die hat ja mittlerweile auch eigentlich eine größere Verbreitung. Das sieht man öfter mal, dass Leute Schilfklärbeete in ihren Gärten haben, so im ländlichen Bereich eben als Bio-Kläranlage. Aber ich denke, unsere Kakekompostanlage ist doch in der Größenordnung und in der Professionalität, wie ihr die betreibt, ganz schön einzigartig. Gehen wir nochmal zurück zu dem Punkt, ein Eimer in einem Kompostklo ist voll. Was passiert von diesem Zeitpunkt an? 

Champa: Der Mitbewohner nimmt den ganzen Eimer aus der Toilette. Die haben ja eine Tüte noch drin in den Häusern. Und dann gibt es einen Deckel drauf, sodass es schön luftdicht geschlossen ist. Der Bewohner fährt diesen Eimer mit dem Fahrradanhänger oder trägt es halt zur Kakaoanlage. Und da gibt es ein kleines Treppchen, wo die Menschen, die Bewohner entleeren dürfen und schüttet seine Hinterlassenschaften dort aus. Das sind im Grunde so Boxen, so Holzverschläge, große Boxen, die auch so Klappdeckel haben. Und da steht immer die Treppe vor der Box, die beschickt werden soll. Richtig. Es gibt insgesamt acht Boxen, die so eine Größe von zwei, drei Raummeter haben. Ungefähr ein Meter mal ein Meter. Ein bisschen höher, 1,40 Meter. Und da sammeln wir die Feststoffe vor, da trocknet das halt auch ab. Und wenn ich sage, ah, diese Box ist voll, kommt noch mal möglichst eine Grasschicht drauf, dass schon ein Vorkompostierungsprozess angefangen wird. Und die nächste Box ist dann frei. Und wenn zwei, drei Boxen nebeneinander voll sind, dann machen wir den Aufsatz. 

Simone: Vielleicht beschreibst du das auch nochmal. Das ist ja auch immer ein personalintensiver Vorgang. ihr setzt den Kacke-Kompost neu auf, also ihr nehmt wirklich Schaufeln in die Hand und mischt da hinten noch mal richtig durch, oder? 

Champa: Richtig, dann ab Mitte, Ende April, ab einer Außentemperatur von 16 Grad dürfen wir diesen Aufsatz vom Amt her erst machen bis Ende September und da dürfen wir 13,5 Tonnen zurzeit verarbeiten. 

Simone: 13,5 Tonnen? Scheiße! 

Champa: Ein Mensch, durchschnittlicher Erwachsener macht 200 bis 300 Gramm pro Tag, je nach Darmdurchlauf und nach Essen. Und genau, vorher müssen wir halt viel Rasen mähen und Grasschnitt sammeln, Grünschnitt, um halt eine gewisse Temperatur zu erreichen. Wir haben 1997 die Anlage genehmigt bekommen. Damals, oder habe ich so gelernt, dass es die erste abgenommene Fäkalienverwertungsanlage Deutschlands war, in dieser Größe. Mittlerweile gab es auch andere Gemeinschaften hier, die sich das abgeguckt haben und auch Genehmigung bekommen haben. Und wir müssen drei Wochen lang über 50 Grad haben oder zwei Wochen über 60 Grad konstant. Und das wird dokumentiert mit langen Thermometern und muss auch in eine Tabelle eingefügt werden, was sich das Gesundheitsamt dann hin und wieder anguckt.

Oderwenn sie halt vorbeikommen, muss ich ihnen das vorlegen. Und dafür sammeln wir, kann man sich so vorstellen, zwei Pritschen voll Grasschnitt für zwei, drei Boxen. Ein bisschen Schilf für die Seiten, dass nur der Feststoff in die Mitte kommt. Und dann werden diese Boxen wirklich per Hand mit Schaufel geleert. Und das ist eine sehr meditative Arbeit, sage ich immer. Ich lade immer wieder Leute dazu ein, die hier neu ankommen, da mal rein zu spüren, das mal wirken zu lassen. Für mich, sage ich immer, ist es so ein Gefühl von an der Ostsee mit Baggermatsch spielen. Es hat ganz viele verschiedene Farbtöne, besonders früher die Rohkostseminare, da gab es schon von orange, lila zu solchen Farben hin. Und es ist ja auch wichtig, früher im Kaiserreich gab es Scheiß- Ärzte, Kontrolleure, Um gut zu wissen, wie es dem Volk in Sieben Linden geht, ist es wichtig, seine Scheiße im Blick zu haben, um zu sagen, Sieben Linden ernährt sich gut. Und dann wird geschaufelt und Gras drauf geschmissen. Also durchgemischt. Es gibt so fünf bis sechs Schichten Scheiße, Feststoffe, die sich aufbauen, also immer dicker werden, in die Mitte hin. Und pro Schicht werden ungefähr 50 Liter Wasser zugetan, um diesen schnelleren Hitzeprozess anzufachen mit dem frischen Grasschnitt und dem Grünschnitt. Genau, damit es halt eine schöne Durchmischung auch gibt und eine gute Kompostierung gewährleistet ist. 

Simone: Also ich höre so raus, dass es schon auch wirklich ein ganz eigenes Biotop, so ein Kackekompost, da muss die Temperatur stimmen, die Feuchtigkeit muss stimmen, die Beschaffenheit der Fäkalien ist immer unterschiedlich und so weiter. 

Champa: Das Gras muss stimmen. Es ist ganz wichtig, auch das Gras, richtig gutes Gras, ist schon das Wichtigste. Weil das macht halt, setzt sich schön zusammen mit dem Material und nach drei bis vier Wochen, wenn wir es rausholen, soll ein Mensch ja auch nicht mehr sehen, dass es wirklich scheiße ist, sondern schon ein fester, verkompostierter Kackestoff. 

Simone: Also es ist dann eigentlich ein normaler erdartiger dunkler Kompost, wo man auch mal mit der Hand reingreifen kann und den man sich holen kann, wenn man einen Baum pflanzen möchte oder wenn man seine Hecken düngen möchte? Oder wie kann ich mir das vorstellen? 

Champa: Nein, das passiert erst leider nach zwei bis drei Jahren. Nach diesen drei bis vier Wochen, holen wir den fertigen Kompostaufsatz raus und mischen den wiederum mit Schubkarren, mit Muttererde, mit einer Schubkarre m

Muttererde eins zu eins im Grunde, so dass diese Haufen dann halt noch zwei bis drei Jahre liegen, abgedeckt werden mit Grasschnitt, wenn wir es haben, oder Schilf oder anderen Grünstoffen, um halt einen schönen Aufsatz zu haben, eine Mahd zu haben, die halt nochmal weiter kompostiert. Und dann nach diesen zwei bis drei Jahren, das hängt so ein bisschen mit der Jahreszeit zusammen, mache ich den Aufsatz, bringe ihn raus im September oder im April, dann kann das für die Menschen freigegeben werden und wird für Pflanzungen genommen, aber nicht für den Siedlungsgenossenschaftsgarten zum Beispiel. Wir testen das auch immer mal wieder, probenartig, herauszufinden, ob da Restkeime drin sind. Und über die Jahre war es eigentlich immer sehr positiv. War es positiv, dass wir keine Reststoffe drin hatten. Keine für menschlich gefährlichen Keime. Und trotzdem soll man es nicht direkt aufs Gemüse aufbringen, sondern lieber auf Gehölze, wo eben die Früchte nicht direkt mit dem Kompost, mit der Erde in Kontakt kommen, wenn der Mensch sie dann isst. 

Simone: Damit einfach jedes Risiko ausgeschlossen wird, dass man sich da doch irgendwelche Keime holt, oder? 

Champa: Weil wir wissen natürlich nicht, oder ich weiß zumindest nicht, was die Gäste an Chemikalien nehmen. Und auch bei den Sieben Linden ist es zwar sehr unwahrscheinlich, aber die Regel ist eigentlich, dass wir es nur für Baumpflanzungen rausbringen. Wenn ein Mensch privat seinen Aufsatz macht, dann weiß er ja, was er isst und was er sozusagen ausscheidet. Und wenn das gut kompostiert ist, könnte er es auch aufs Gemüse bringen. Aber wir schließen dieses Risiko aus. 

Simone: Ja, ich hab mal überschlagen, wir haben glaube ich 50, 60 Kompost-Toiletten in Sieben Linden. Das heißt, es ist immer wieder ein intensives Thema. Und ich finde es schon besonders, dass die Menschen hier, auch die Gäste, so direkt mit dem Thema Verdauung, Toilettengang, die eigenen Hinterlassenschaften in Kontakt kommen. Und ich glaube, das macht auch was mit uns und mit Bewusstsein, oder?

Champa : Genau, Menschen, die hier zum ersten Mal zu Besuch kommen oder sich Sieben Linden annähern wollen, müssen sich ja mit dem Thema auseinandersetzen, dass es eben hier nicht mit Trinkwasser runtergespült wird. Das ist für die meisten, glaube ich, neben dem Handy frei und recht anderem Dorf eine große Hürde, auch diesen Eimer entleeren zu müssen von zu Hause. Also jeder macht ja seinen Scheiß selber weg. Und die Gäste hören, aha, da sind Komposttoiletten. Und ich kenne ja Geschichten von meinem Vater nach dem Weltkrieg, wie da die Komposttoiletten war. Und das ist im Grunde mit unseren Toiletten ja überhaupt nicht mehr vergleichbar. Unsere sind Hochleistungs-, hochtechnologisierte, saubere, hygienisch einwandfreie Toiletten. Und auch geruchsfrei der Gast sieht im Grunde gar nicht wo sein Rest hingeht weil es in tiefe Schächte wo sie wo es einfach in schwarze geht und von von 34 meter tiefe kommt auch kein Geruch hoch. Es gibt ja auch Hebel wo noch Sägespäne drauf gestreut wird und diese kleinen Hebel an der Toilette für die Gäste haben auch den psychologischen Aspekt, dass der Mensch immer irgendeine Taste drücken muss nach dem Toilettengang, weil es ja nicht gewohnt ist, einfach sein Geschäft zu hinterlassen und dann ein bisschen Sägespäne drauf zu streuen und den Deckel wieder zu schließen. Und die Gäste fragen mich dann auch, „ja man sieht das ja gar nicht“, also bei den meisten Toiletten ist es ja einfach, sobald du aufstehst, schließt sich der Deckel oder es sind wirklich mehrere Meter, wo die Feststoffe runterfallen und dann wird das auch immer mal wieder gezeigt, diese Tonnenentleerungen, die ein ganz tolles System haben. Wenn wir erkennen, dass wenn eine Lampe leuchtet, dass die Tonne entleert werden müssen, diese Tonnen dürfen auf keinen Fall zu voll sein, weil dann ist es richtig scheiße und die haben ja auch ganz schön Gewicht, wie gesagt, 200-300 Gramm pro Tag und wenn dann schon mehrere Menschen da drauf waren und eine Woche oder zwei Wochen vergangen ist, ist das Motto „Lieber zu früh als zu spät“. 

Simone: Das glaube ich. Ich kann es mir wirklich vorstellen. Es gibt immer mal wieder auch kleinere Unfälle, muss man ja auch ehrlich sagen. Die sind dann nicht so schön. Was ist denn die schärfste Story, die dir dazu kommt, wenn du dich an die Jahre erinnerst? 

Champa: Richtig, da gibt es so einige Sachen, die wir da drin finden. Natürlich neben Klobürsten, Schnullern, Kinderspielzeug, solchen Sachen. Auch mal ein Kondom leider. Aber wirklich die DIE schärfste Story war einfach, dass eine Mitarbeiterin ihren wertvollen Familienring beim Putzen in dem Eimer verloren hat. Es war eine große Tonne sogar im Sonneck und wir wussten ganz genau dann, wo diese Tonne entleert worden ist. In diesen großen Boxen, wie gesagt, Meter mal ein Meter. Und dann haben wir alles aufgemacht, die sind ja alle mobil mit Holzbrettern, dass das abgebaut werden kann, eine Box und dann wurde wirklich Zentimeter für Zentimeter da die Scheiße durchgegangen. Das war natürlich noch ein bisschen ekliger, weil es halt ein recht frisches Material war und sie war oberglücklich und sehr froh nach einer gewissen Zeit ihn dann doch entdeckt zu haben und gefunden zu haben, schön sauber zu machen und ich denke sie trägt ihn wieder und ist glücklich und zufrieden und dadurch haben wir natürlich auch immer wieder mehr gelernt. Wir ketten die Klobürsten mittlerweile an. Oder die Menschen tragen natürlich keine Ringe oder Handschuhe beim Saubermachen. 

Simone: Oh mein Gott. Ja, ich kann es mir lebhaft vorstellen, diese Situation. Ja. Mir fällt dazu tatsächlich immer Gandhi ein, der gesagt haben soll, im Kastensystem in Indien, wo eben die Unberührbaren, also die unterste Kaste, letztendlich für die Scheiße zuständig war, dass eine soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, eine Aufhebung des Kastensystems erst dann erfolgen wird, wenn alle sich mit den Fäkalien beschäftigen. Und das haben wir ja hier auf eine gewisse Weise erreicht. 

Champa: Richtig, also zumindest mit der Entleerung. Und manche Menschen haben halt eine sehr empfindliche Nase und entleeren diese Sachen nicht oder können es körperlich nicht mehr so. Und das ist auch absolut in Ordnung. Bei den Aufsätzen sage ich auch immer ganz meditativ, durch den Mund atmen, nicht durch die Nase. Und wirklich, das ist der Baggermatsch und nicht die Scheiße des letzten Monats. Und es ist ja auch ein Dienst an der Gemeinschaft. Irgendwer muss diesen Job machen. Und ich habe mich dafür vor 10, 11 Jahren bereit erklärt, fand es auch spannend und interessant, das zu lernen. Und es ist so, wie alles gemacht werden muss im Dorf, muss es gut verarbeitet werden, dass diese Fäkalienverwertungsanlage, wo wir im Fokus des Amtes sind und auch anderen Gemeinschaften, gut funktionieren, damit es da keinen Aufschrei in den Medien gibt, dass bei uns das nicht läuft, weil wir eben auf der anderen Seite tausende von Liter Wasser sparen, die Woche. Und natürlich viele wertvolle Stoffe im Kreislauf halten, dadurch dass sie im Kompost landen und nicht einfach auf Tastendruck irgendwo weggeschwemmt werden, wo man sie dann nicht mehr so hochwertig weiterverwenden kann wie bei uns oder das ist auch ein denken in Kreisläufen für mich richtig und es ist ja was ganz natürliches der Kreislauf hört nicht mit der Taste mit dem Trinkwasser spülen runter an sondern wirklich: wo landet das und wenn man an so Dörfern vorbeifährt oder Kleinstädten diese Anlagen da wo wirklich tausende Tonnen von Menschenscheiße gesammelt wird? Das stinkt für meine Nase auch, aber unsere Fäkalienverwertungsanlage finde ich eigentlich immer geruchsneutral. Und es gibt natürlich im Hochsommer, wenn es recht viel frisches Material ist, sag ich mal, schon eine Ausdünstungsgase und da arbeiten wir dann halt auch schön mit Räucherstäbchen oder zur Not auch mit Maske. Und es ist ja auch immer wieder ein Wechsel, man schaufelt eine Zeit lang, es kommt Grasschnitt dazu, es kommt Wasser dazu, Flüssigdünger jetzt noch, so dass der Mensch jetzt nicht stundenlang da an der Scheißfront steht und diesen Gestank ertragen müsste. 

Simone: Und wichtig finde ich ja in Sieben Linden natürlich auch, dass sich niemand hier ausschließlich um Scheiße kümmert und du bist ja das beste Beispiel. Du hast ja vor allem Geschäftsführungsaufgaben und überlegst dir im Namen der Genossenschaft zum Beispiel auch, wie das jetzt weitergehen kann bei uns. Wird es denn bei der derzeitigen Kacke-Kompost-Anlage bleiben, Champa? 

Champa: Nein. Diese Anlage ist jetzt für, also letztes Jahr schon an den Grenzen gekommen. Jetzt haben wir eine Erweiterung bekommen von 11 auf 13,5 Tonnen, wie gesagt. Die ist von 1997 immer wieder gestiegen. 2010 habe ich sie übernommen. Da habe ich mich sehr viel für die Infrastruktur und Waldleitung, um den Wald gekümmert. Und seitdem ich 2015/16 in die Geschäftsführung eingestiegen bin, war einfach weniger Zeit dafür. Da habe ich dann mehr geguckt, dass es stimmt, dass es kontrolliert und organisiert wird. 

Simone: Sorry, ich muss gerade irgendwie an diese Doppeldeutlichkeit von Geschäftsführung zum ersten Mal denken. Das ist mir noch nie als Begriff eingefallen.

Champa: Genau, ich kümmere mich um die Geschäfte der Siedlungsgenossenschaft. Von Notarsachen, Mitgliederverwaltung, Mitgliederpflege bis hin zum Endprodukt der Bevölkerung, der Bewohner. um zu wissen, geht es unseren Leuten auch gut geht. Und ich finde, es gab mal ein Fernsehteam, das hat mich im Büro gefilmt und ich bin mir auch nicht zu schade, in der Scheiße zu wühlen. Und ich glaube, jeder Vorstand, ich bin ja auch im Vorstand, jedes Vorstandsmitglied eines deutschen großen Unternehmens sollte mal an die Basis zurückgehen und genau wissen, wo da ihre Angestellten oder Menschen, was die so mitarbeiten müssen. Für mich ist das ein guter körperlicher Ausgleich. Das ist auch das Rasenmähen vorher so.

Der eigentliche Aufsatz dauert einen Vormittag, wenn wir gut sind. Und das dann alle paar Wochen. Das sind 7 bis 10 Stück im Jahr. Das kann man sich so vorstellen mit viel Vorbereitung. Wenn das alles gut vorbereitet ist, ist das an einem Tag abgeschlossen. So kommen im Jahr schon 300, 350 Stunden zusammen. Das ist ein Luxus, den wir uns hier leisten. was es auch wert ist natürlich im Vergleich zum Trinkwasserersparnis, dass wir das einsparen. Und die Richtung geht jetzt dazu, dass wir eine Erweiterung dieses Jahr gemacht haben von ungefähr 100 Quadratmetern, um diese fertigen Kompasshaufen besser logistisch zu lagern, dass wir auch mit schwereren Maschinen, also sprich mit Traktor, die auch rausholen, weil nicht alles mit Menschenkraft zu machen ist, zu tätigen ist, weil es einfach nicht so viele Bewohner gibt, die darauf Lust haben mitzuarbeiten. Ich lade ja wie gesagt immer mal wieder ein und es gibt Menschen, die machen das sogar als ihr Gemeinschaftsdienst und die Angestellten in der Hausmeisterei. Und die Zukunft wäre oder mein Wunsch wäre, dass wir eine Richtung Biogasanlage gehen und dafür plane ich und haben wir eine kleine Mini-Biogasanlage von ein Kubik gerade hier und meine Planung wäre eine 12,5 Kubikmeter Anlage zu haben, die einen Großteil der Fäkalien ganz jährlich zu Gas produziert.

Es würde einen Gasanschluss ans Regiohaus geben, so dass wir halt dann auch mit unseren Fäkalien kochen könnten oder ein bisschen zumindest kochen könnte, wenn der Gasdruck hoch genug ist und einfach halt dieses maschinelle Verarbeiten der Feststoffe nicht mehr so dringend ist. Die alte bestehende Anlage wird bleiben, um sie als Vorzeigeobjekt zu haben, auch für andere Gemeinschaften, dass die das lernen können, wie wir das jahrelang, jahrzehntelang getätigt haben, um auch auszuprobieren, wie viel kann diese neue Biogasanlage wirklich verarbeiten, zu Gas produzieren und wenn in einem Moment zu viel zugeführt werden würde in die Anlage wäre es halt auch nicht so gut. Also haben wir diese Boxen als Reserve. Und ich denke, dass es für die Größe von 200 Menschen plus Gäste, die wir irgendwann in den nächsten Jahren, ja unser Ziel ist zu erreichen hier, eine gute Basis, um die Fäkalien in Zukunft gut zu verarbeiten und daraus halt dann auch Gas zu gewinnen und Einnahmen zu bekommen. Also nicht Einnahmen zu bekommen, sondern weniger Gaszukauf und einfach auch ein schöner Nebeneffekt, dass wir wir halt aus unserer Scheiße wirklich von den Bewohnern damit kochen, dann ist der Kreislauf wirklich noch besser geschlossen. 

Simone: Ja, wir würden ja auch Propangas eben sparen, dass irgendwo aus der Erde geholt wird und stattdessen Biogas verwenden, das ja beim Kompostierungsprozess der Fäkalien sowieso teilweise anfällt und einfach bei uns im Moment noch in die Atmosphäre entweicht. Und das finde ich einfach ein entscheidendes Argument, das mal auszuprobieren mit dem Biogas kochen und der Kreislauf ist ja auch umwerfend oder den man dabei erreicht. Richtig es ist faszinierend, wunderbar wie da alles rein kann in diese kleine Anlage und wenn ich mir das in größeren Volumen vorstelle wäre es noch sauberer und weniger Handarbeit. Und einfach so ein Nebeneffekt, dass wir halt damit wirklich dann von Zeit zu Zeit kochen können wenn wir mit Schalter umlegen bzw. wenn in der Biogasanlage genug Gas produziert worden ist. Es wäre ja eine Low-Tech-Biogasanlage, aber trotzdem für uns jetzt erstmal ein technischer Sprung wieder und wir entwickeln uns weiter und haben neue Ideen und das finde ich großartig, dass du da auch offen dafür bist und dich immer wieder auch für diese Art von Geschäften einsetzt. Ich appelliere mich nochmal über diese Begriffsdoppelung. Wir haben ja auch ein Geschäftswagen übrigens. Das ist unser mobiler Toilettenwagen, den wir dann auch mal bei Festivals auch woanders hinziehen können hier vor Ort. Also wir machen Geschäfte auf allen Ebenen in Sieben Linden, entwickeln uns weiter. Ja und da danke ich dir einfach für das Gespräch und sowieso für dein langjähriges Engagement hier für die Gemeinschaft von Kopf bis Fuß.

Champa: Vielen Dank, ja, Sehr gerne. 

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