Wer unsere Gründächer in Sieben Linden betritt, ist mitten drin in einem Biotop. Gesellschaften spezialisierter Pflanzen und viele Insekten haben sich dort angesiedelt. Gründächer kühlen auch das Gebäude und sorgen für ein gutes Mikroklima. Gründach selbst bauen? Das ist gar nicht so schwer.
Gründächer sind auch ideal für Leute wie uns, die mit viel Eigenleistung bauen wollen. Nachdem wir im Ökodorf den Tanzsaal, das Haus der Stille und das Strohtel mit Gründächern begrünt haben, gehen wir in diesem Sommer wieder zwei ganz neue Vorhaben an – auch diesmal wieder mit Werner Wiartalla und Ruth Kösters, beide aus der Gemeinschaft UfaFabrik in Berlin. Werner ist mein Gesprächspartner im Podcast und seit vielen Jahren sehr begeistert mit Gebäudebegrünung befasst .
Dieses Jahr bauen wir in Sieben Linden ein Gründach auf einem Bauwagen und das Gründach auf dem neuen Strohballen-Haus Mü. Das ist eine Chance, um ganz praktisch zu zeigen, wie jede*r mit etwas Vorkenntnis selbst ein solches Gründach auf die eigene Garage, den Bauwagen oder auf ein bestehendes kleines oder größeres Bauwerk setzen kann – oder es idealerweise gleich beim Neubau mit einplant.
Werner Wiartalla lebt, liebt und arbeitet seit über 30 Jahren in der ufaFabrik Berlin: https://www.ufafabrik.de/
https://www.ufafabrik.de/de/10525/nachhaltigkeit-und-oekologie.html
8.-10. Juli 2021 Ein Gründach selbst bauen – Praxisseminar- Spezial: Gründach auf Bauwagen!
21.- 26. August: Gründach selbst bauen in Theorie & Praxis… auf dem neuen Strohballen-Lehmhaus „Mü“
Autorin: Simone Britsch
Mail: podcast@siebenlinden.org
Interviewpartner: Werner Wiartalla
Veröffentlicht unter der Creative Commons (CC BY 4.0),
Copyright Freundeskreis Ökodorf e.V., 21.05.22
Der Podcast zum Lesen:
Simone: Grün, grüner, Gründach. Ja, wenn du mal hier bist und eines unserer Gründächer in Sieben Linden betrachtest, dann bist du mittendrin in einem Biotop. Nachdem wir im Ökodorf schon den Tanzsaal, das Haus der Stille und das Strohtel mit Gründächern begrünt haben, gehen wir in diesem Sommer wieder zwei ganz neue Vorhaben an. Und auch diesmal wieder mit Werner Wiartalla und Ruth Kösters, beide aus der Gemeinschaft UfaFabrik in Berlin. Werner ist mein Gesprächspartner im Podcast und seit vielen Jahren sehr begeistert mit Gebäudebegrünung befasst. Also schau gerne im Seminarprogramm nach, Anfang Juli und Ende August wirst du diese Workshops finden. Und nun geht es weiter mit Werner.
Simone: Hallo Werner, schön, dass du dir Zeit genommen hast für ein Gespräch.
Werner: Danke, hallo Simone.
Simone: Ja, unser Thema sind grüne Dächer und auch Gebäudebegrünung heute. Wer jetzt vielleicht noch nie auf einem grünen Dach war, beschreibt doch mal das Erlebnis, ein solches Dach zu betreten?
Werner: Naja, wenn ich bei mir zu Hause ins Treppenhaus gehe, dann denkt so derjenige, der da kein Gründach erwartet, jetzt geht es irgendwo in so eine Wohnung. Dann, wenn man aus dem Treppenhaus rauskommt, dann sieht man da ein riesengroßes Feld mit Pflanzen, mit blühenden Sachen, mit bunten Sachen und man steht dann auf einmal auf einem Gründach und es ist leise, es ist gute Luft da, es ist angenehm temperiert und ja, das ist ein Überraschungsmoment.
Simone: Also ein grüner Teppich von Pflanzen, das ganze Dach ist komplett bewachsen und bei dir zum Beispiel hat es keine Neigung, da kann man auch gut mal drauf rumlaufen und ja, Insekten auch sehen.
Werner: Ja, Wir haben da sehr viele Insektenpflanzen auch absichtlich gesetzt, um den Insekten ein neues Zuhause zu geben. Da ist ordentlich Leben. Da ist man mitten in der Natur.
Es ist ja auch nicht direkt das, was man sich vielleicht erst mal vorstellt, so ein Rasen oder so eine Grasfläche, sondern einen ganz überwiegenden Teil auf dem Gründach machen ja diese Dickblattgewächse aus, die ja auch spezialisiert sind auf solche Standorte. Ja, wir haben bestimmt so 12 bis 15 verschiedene Sedum-Arten, so nennen die sich. Sedum telefinum kennt vielleicht der eine oder andere, das ist die Fethenne.
Die wird auch oft in normalen Gärten verwendet. Davon gibt es halt bestimmt 12, 15 verschiedene Arten bei uns auf den Dächern. Und das ist sehr unterschiedlich, auch von den Jahreszeiten. Manchmal ist das dach rötlich, manchmal ist das gelblich, manchmal ist es nur grün. Also es ist richtig schön zu sehen und das verändert sich auch je nachdem ob ein feuchter Frühling war oder ein trockener Frühling war. Dann bei dem einen kommt mehr Rasen durch und bei dem anderen da kriegt dann auf einmal das Sedum die Oberhand.
Simone: Also das ist ein sehr sehr schöner, lebendiger Mechanismus der da oben stattfindet. Ein richtiges Biotop eigentlich.
Werner: Ja genau. Man kann sich auch abends mal da draufsetzen mit einer Decke und einer Flasche Wein und da gemütlich mit Freunden ein Glas Wein trinken.
Simone: Du bist ja nicht nur spezifisch für diese grünen Dächer, sondern auch für die Vertikalbegrünung, also Fassaden, die dann grün berankt werden. Das haben wir in diesem Jahr auch schon mit dir machen dürfen. Wie haben wir uns das vorzustellen?
Werner: Naja, es gibt verschiedene Systeme, die wir auch hier größtenteils zeigen. Das heißt, es gibt Pflanzen, die schlingen. Die brauchen einfach nur ein Stahlseil und dann schlingen die sich so hoch und verästeln sich da wunderschöne Pflanzen. Schwarzeugige Susanne zum Beispiel. Oder es gibt Pflanzen, die brauchen so etwas wie ein Gitter, wo sie sich drauflegen können. Das sieht dann aus wie so eine Treppe, wo die sich einfach drauflegen und dann höher wachsen, höher wachsen, höher wachsen. Sowas gibt es oder wenn man eine Fassade hat zum Beispiel Kalkputz, dann kann man das auch selbst prima hoch wachsen lassen das sieht so aus als wenn die solche Frosch-Tatsen hätten die sich so an der Wand hoch arbeiten das z.B. bei wilden Wein so das übrigens sehr schön im Herbst wird er so knalle rot also es gibt sehr viele schöne Pflanzen, die man an die Fassade setzen kann.
Simone: Und du hast ja bei uns dieses Thema auch nicht alle direkt an die Wand gebracht, also die Pflanzen selber, sondern die haben zum Teil auch Abstand zur Wand. Dieses Vorurteil, dass Pflanzen vielleicht den Putz oder die Dachrinnen kaputt machen, greift dann gar nicht so.
Werner: Nein, wir haben hier extra, weil wir eine Strohballenwand haben, darauf geachtet, dass die Pflanzen nicht Selbstklimmer sind, also nicht in die Fassade eventuell rein wachsen könnten. Deshalb haben wir sicherheitshalber die Stahlseile von der Wand weg gespannt. Man kann sich so vorstellen, oben vielleicht 50 Zentimeter weg von der Wand, unten 1,50 Meter weg von der Wand und da klettern die Pflanzen dann hoch. Entweder als Selbstschlinger oder Kreuzschlinger und was da alles gibt oder so und mit diesem Vorurteil dass die Pflanzen die Fassade zerstören müsste man auch eigentlich mal aufräumen, weil wenn eine Fassade gut verputzt ist also keine Risse hat und so weiter dann schützt so eine Fassaden-Begrünung vor der harten UV-Einstrahlung im Sommer und es wird angenehm klimatisiert.
Das heißt die Fassade wird nicht heiß und dadurch hat man sehr gutes Klima. Also da das ist nicht immer richtig. Bei schlechten Fassaden, bei Holzfassaden, soll man es zum Beispiel nicht machen weil die Hölzer haben ja einen Spalt zwischendrin. Da wachsen dann die pflanzen rein. Es kommt auch darauf an welche: Es gibt sogenannte Lichtflieher. Da gehen die überall rein, wo es irgendwie geheimnisvoll ist. Also die suchen den Schatten.
Simone: Ja, genau. In Sieben Linden unser neues Haus, das Strohtel, das Gästehaus von Sieben Linden. Da konnten wir letztes Jahr mit dir ja mal anfangen mit Gebäudebegrünung im größeren Stil. Vorher hatten wir hier in Sieben Linden einige kleinere Dachflächen begrünt und da habt ihr das Dach vom Strotel-Seminarraum begrünt, sogar mit einer Seminargruppe.
Werner: Ja, da haben wir einen schönen Aufbau gewählt. Der Dachdecker hatte uns vorbereitet eine Dachdichtung, so eine EPDM-Folie, Das ist eine künstliche Krautschukfolie, die aufgebracht wird. Man sagt, es ist die ökologischste Art und Weise, so eine wurzelfeste Folie aufs Dach zu bringen. Es gibt dann natürlich noch andere, Polyolefin oder Rippanol und was es da alles auf dem Markt gibt. Das ist ein riesengroßer Markt, wo man sich da was aussuchen kann.
Dann haben wir da drauf gelegt: einen Filz einen dicken fast zwei Zentimeter dicken Filz der sehr viel Wasser speichert und natürlich auch die EPDM -Folie ein wenig schont und dann ganz normal Blähton aufgebracht und damit weil wir sind hier in einem ziemlich windreichen Gebiet in der Altmark und ringsrum Felder. Der Wind, der kriegt hohe Geschwindigkeiten. Deshalb haben wir damit der Blähton nicht wegfliegt, dann noch ein Jutegitter aufgelegt und dann haben wir begrünt, noch Rasen gesät, Sedum gepflanzt.
Simone: Damit man sich das noch besser vorstellen kann, also unten ist eine Art Kunststofffolie, da drauf liegt ein Filz und dann hast du einfach mal so gesagt, ja Blähton, Das kennt natürlich kaum jemand.
Werner: Blähton, das sind so kleine, helle Kügelchen, tonfarbene Kügelchen, die aufgebracht werden und die so ein eigenes, ja fast ein bisschen, sieht ein bisschen aus wie Kies, wenn man drüber guckt.
Simone: Und da habt ihr dann Jute drauf gepackt und ein bisschen Erbsubstrat, sodass die Pflanzen erstmal anwachsen können.
Werner: Gut, vielleicht dann ein bisschen genauer, also der Blähton, das ist Ton, der wird kurzzeitig erhitzt, dann poppt der so auf wie Popcorn. Das macht ihn sehr sehr, sehr, sehr günstig für die Dachbegrünung, weil in diesem Aufpoppen da entstehen ganz viele kleine Bläschen, kleine Kammern, wo sich Wasser speichern kann. Das heißt, dieser Blähton hat auch für lange Dürreperioden Wasserreservats für die Pflanzen. Das ist ein großer Vorteil.
Der zweite große Vorteil ist, es ist leicht, also man braucht jetzt nicht riesen dicke Balken unter dem Dach haben, damit die Statik von dem Dach stimmt. Und das ist ein großer Vorteil. Blähton, man kann auch Blähschiefer nehmen oder Lava. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wo man ist und wie man es beschaffen kann. Ist natürlich Quatsch, da von Süddeutschland nach Norddeutschland irgendwie Substrat zu karren. Dann guckt man lieber, was in der Gegend üblich ist oder normal ist.
Das ist das eine, die Jute wie gesagt vorhin soll schützen, damit es nicht weggeweht oder weggewaschen wird und dann haben wir ein bisschen Erde oben drauf, vielleicht ein Zentimeter Erde oder so, acht Zentimeter Blähton und dann noch mal so ein Zentimeter bis zwei Zentimeter Erde oben drauf, weil am Anfang säen wir Rasen aus und Rasen ist ein Lichtkeimer, das heißt wenn man den Rasen auf dem Blähton streuen würde, die Rasensamen, dann würden die nach unten sickern und dann könnten die nicht aufgehen, könnten die nicht keimen.
Deshalb nimmt man oben ein bisschen Erde drauf, Rasen drauf und der Rasen ist eigentlich nur dazu da, dass die Wurzeln so einen großen Teppich bilden, dass das Dach wirklich fest ist, die Dachbegrünung wirklich eine feste Fläche ist. Und dann kann man da gezielt Sedumarten einbringen, einsetzen, entweder in Form von Sprossen, die man einfach aussät, auswirft oder in Form von Pflanzen.
Also es ist wirklich ein ganz bestimmter Aufbau, den man beachten sollte, wenn man ein Gründach anlegt, damit dieses Biotop dann auch irgendwann selbstständig wird.
Simone: Also letztendlich muss man sich ja um Gründach nicht mehr groß kümmern, wenn es einmal gut in Fahrt gekommen ist und schön blüht und eine ausgewogene Artenvielfalt da ist, dann ist ein Selbstläufer, oder?
Werner: Genau, das dauert so ein bisschen, sag mal zwei Jahre, zwei Saisons auf jeden Fall, bis die Pflanzen so kräftig sind, dass sie sich auch wirklich ausbreiten und damit ein geschlossener Teppich entsteht, muss man ein bisschen Geduld haben. Man kann natürlich viel Geld investieren und das ganze Dach voll machen mit Pflanzen, aber das ist natürlich teuer, wenn man aus der Gärtnerei dann vorgezogene Pflanzen dann aufs ganze Dach bringt. Ich mache es lieber mit Sprossen und warte zwei Jahre. Das ist eine relativ günstige Methode und wie gesagt, der Rasen ist erst mal nur dafür da, dass durchwurzelt wird und der Rasen wird diese trockene Atmosphäre da oben auf dem Dach mit heißer Sonneneinstrahlung und relativ wenig Wasser nicht überstehen. Der ist wirklich nur fürs Wurzeln machen da und das Sedum wird sich dann ausbreiten im Laufe der Zeit.
Simone: Ja, das ist auf jeden Fall ein schöner Prozess, den man beobachten kann und wer Lust hat, sich das mal anzugucken. Herzliche Einladung zu unserem Stroh-Tel. Das wird gerade seitlich berankt von frisch gesetzten Fassadenbegrünungspflanzen und hat wie gesagt auf dem Seminarraum auch ein Gründach, wo man auch guten Blick drauf werfen kann, wenn man aus dem Fenster guckt. Ja Werner, warum das Ganze? Warum liegen dir die Gründächer und die Begrünung der Städte so am herzen
Werner: Naja da gibt es viele Gründe also der erste Grund ist wenn ich aus meiner Haustür rauskomme oder aus meiner Wohnungstür rauskomme sich erst mal 2000 Quadratmeter grün das befriedigt mich ungemein und das mitten in der Stadt das muss man ja auch mal sagen du lebst ja gar nicht in Sieben Linden sondern in der ufaFabrik in Berlin wo ihr im Prinzip eine Industriebrache, eine verlassene Fabrik, zu neuem Leben gebracht habt. In den 40 Jahren ist da viel entstanden und vor allem habt ihr eben auch diese Dachbegrünung ganz toll vorangebracht.
Werner: Ja ein weiterer Grund für Dachbegrünung ist, Pflanzen verdunsten Wasser, also Bäume, die Blätter von den Bäumen verdunsten Wasser, der Rasen verdunstet Wasser und wenn Wasser verdunstet wird, muss ja irgendwo die Energie für die Verdunstung herkommen. Die Pflanzen nehmen die Energie aus der Umgebung und verdunsten das Wasser. Bis zu 10 Liter am Tag verdunsten Pflanzen.
Das sind Quadratmeter. Ein Quadratmeter Blätter vom Baum bis zu 10 Liter. Das heißt so ein mittelgroßer Baum, der verdunstet 4 bis 500 Liter Wasser am Tag. Wenn man das zu Hause machen wollte, so meinetwegen 10 Liter Wasser verdunsten, dann braucht man dann ungefähr 7 kWh Strom oder Gas oder so, also richtig Energie, um das Wasser zu verdunsten. Zum Kochen, das muss dann alles weggekocht sein, 7 kWh etwa. Und die Pflanzen pro Quadratmeter, wenn die 10 Liter Wasser verdunsten, dann nehmen die in 7 kWh Wärme aus der Umgebung auf, um dieses Wasser zu verdunsten. Das heißt, die Pflanzen kühlen die Umgebung.
Und das ist schon sehr beachtlich. Ich habe es mal vor sechs Jahren zusammengestellt, da wurden pro Tag 350 Quadratkilometer Regenwald weltweit, pro Tag, vernichtet, abgeholzt für diverse Sachen. Wenn man das jetzt mit den 7 Kilowattstunden multipliziert, an Kühlleistung, dann kommen da Summen raus, das ist unbegreiflich. Also das ist mehr Energie, Kühlleistung, die da vernichtet wird, als alle Atomkraftwerke in Deutschland produzieren können. Das muss man sich mal vorstellen. Also das ist ein Riesenargument für Begrünung. Wir müssen unsere Städte ein bisschen kühlen, wir müssen die Welt kühlen, etwas gegen die Klimaerwärmung tun.
Und das finde ich sehr interessant mit dem CO2, da sind ganz viele Leute irgendwie immer, ja weiß ich nicht, was soll ich denn da tun oder so. Aber Pflanzen pflanzen kann jeder. Also es ist überhaupt kein Problem, einen Baum zu pflanzen oder sich ein kleines Gründach anzulegen oder so. Eine Garage zu begrünen oder ein Carport oder so was. Das kann jeder machen. Und wenn Fragen sind, helfe ich gerne. Aber im Prinzip kann das jeder machen. Pflanzen kann jeder.
Simone: Ja, diese Kühlleistung, die Verdunstungskälte, die eben die Pflanzen produzieren, das war ja auch für uns in Sieben Linden ein Argument. Unser Stroh-Hotel steht halt relativ frei und ist auch so nach Süden ausgerichtet, damit wir im Sommer da einfach auch kühl im Seminarraum sitzen können und auch die Gästeunterkünfte einigermaßen klimatisiert sind. Das war so die Idee. Was habt ihr denn in der ufa-Fabrik für Erfahrungen damit gemacht? Also ihr hattet diesen Altbaubestand und ihr habt die Dächer dann umgerüstet und umgebaut, sodass grüne Dächer angelegt wurden.
Werner: Ja, also wenn man von der Hauptstraße in Tempelhof, vom Tempelhofer Damm, in die Viktoriastraße einbiegt, dann ist da direkt auf der linken Seite die ufaFabrik. Und wenn man mal genau spürt, dann ist auf dem Teedamm völlig stickige, trockene, staubige Luft und wenn man dann um die Ecke kommt zur Uferfabrik, dann ist die Luft auf einmal ein bisschen angefeuchtet, bisschen kühler, staubfreier, weil so ein Gründach, so eine Begrünung filtert natürlich auch Staub aus der Luft. Also das ist ein sehr, sehr gutes Mikroklima und das merkt man einfach, wenn man auf die Ufa drauf geht, ist ein hervorragendes Klima.
Simone: Und habt ihr es auch in den Gebäuden gemerkt, dass es da positive Effekte gab?
Werner: Auf jeden Fall, wenn man dann im Sommer ein Fenster aufmacht, dann merkt man richtig, wie die kühle Luft vom Dach runterkommt ins Fenster. Ich meine, damals wurde das natürlich nicht aus diesen Klimabetrachtungen aufgebaut, das waren nicht die Argumente. Damals waren die Argumente, ach, das ist ein olles Teerpappedach, Da haben wir keine Lust mehr zu, die olle Teerpappe mit Bitumen und so zu streichen, ekliges Zeugs.
Völlig umweltschädlich und überhaupt nicht ökologisch, also nicht im Einklang mit der Natur. So wurde das damals übersetzt, Ökologie. Und deshalb hat man gesagt, okay, dann machen wir aus den Dächern Gründächer. Das waren so die ersten Gründächer in Berlin. Und daraus wurde dann auch vom Senat ein Hinterhofbegrünungsprogramm entwickelt und so weiter. Also da haben wir schon ganz schön viel angeschoben. Also man kann da sehr viel machen. Vom kleinen Garagendach, was dann ja auch das Haus mit klimatisiert, was da vielleicht dran steht, bis hin zu Neubauten mit Gründächern oder auch die Umrüstung von bestehenden Dächern auf Gründächer.
Simone: Geht das mit jedem Dach eigentlich? Also Statisch?
Werner: Man muss schon gucken, ob die Statik stimmt. Wenn man dann übers Dach läuft und wippt so mit dem Körper, dann darf das Dach eigentlich nicht wippen. Das ist schon ein bisschen kritisch. Aber am sichersten ist natürlich, wenn man dann Architekt mal kurz befragt, schau dir mal unseren Dachstuhl von innen an, wie viel kann das tragen? So ein Gründach ist relativ leicht je nachdem wie man es machen will man kann mit fünf Zentimetern Substrataufbau hinkommen dann liegt man vielleicht bei 50 kilo im Wasser gesättigten Zustand mit allem drum und dran bis hin dann wenn zehn Zentimeter sind ist man halt bei 100 kilo pro Quadratmeter und das muss so ein Dach natürlich halten und dann gibt es noch eine zweite Hürde.
Wenn das Dach angewinkelt ist also wenn es so mehr als 25-30 grad sind dann wird es für mich unsinnig weil man dann ganz viel rutschwellen und sowas verwenden muss das geht bei so einem 25 grad Dach noch so eben mit ein paar Dachlatten und paar kniffigen Konstruktionen. Aber wenn es wenn es steiler wird dann ist schon der Aufwand sehr groß und dann kann man nicht mehr drauf sitzen.
Simone: Ja, schön. Also, Werner, wir haben ja hier in Sieben Linden auch noch einiges an Bauprojekten vor und wie ich gehört habe, hast du auch dieses Jahr zwei Seminare hier bei uns im Angebot. Einmal möchte die Satoshi ihren Bauwagen tatsächlich mit einem grünen Dach besetzen und dann gibt es noch ein richtiges Bauvorhaben, wo du auch eingeplant bist.
Werner: Ja, das mit dem Bauwagen, das finde ich selber spannend, weil ich das ganz konkret noch nicht so gemacht habe, aber wir haben uns natürlich das angeschaut und schon ein Konzept im Kopf, das werden wir danach umsetzen, auch in Form eines Wochenend-Workshops mit ein paar Leuten und das wird bestimmt spannend. Und das andere Projekt, das ist ein Wohngebäude, ein großes Wohngebäude, wo wir dann eine ganze Woche brauchen werden. Also so ein Wochenseminar machen, sehr wahrscheinlich im August. So ein Wochenseminar ist natürlich schon anspruchsvoll. Da gibt es dann morgens zwei Stunden Theorie und dann kann man dann draußen die einzelnen Schritte nachvollziehen beziehungsweise richtig bauen. Da steht noch nichts und die Leute, die dann im Seminar sind, bauen das fertig. Und dasselbe gilt auch fürs Wochenende. Da kriegt man ein bisschen Theorie vermittelt und ist dann konkret mit dir zugange für die Gründachgestaltung.
Simone: Genau, das ist so ein Schnupper-Workshop eher. Man baut da zwar was, klar, aber man kann dann auch mal die anderen Gründächer begucken und die verschiedenen Aufbauten sehen und so. Also das ist ein guter Appetizer. Und gehst du davon aus, dass die Teilnehmenden hinterher selber ein Gründach auch bauen können?
Werner: Also wer an so einem Seminar teilgenommen hat, der wird so eine Garage auf jeden Fall selber begrünen können. Da gehe ich von aus. Da wird sehr viel vermittelt an Theorie, aber auch an Praxistipps. Also ich denke schon, wenn man nicht zwei linke Hände hat, dann geht das.
Ja, ich denke es macht einfach auch Spaß, in so einem Seminar zu einem Ergebnis zu kommen, weil hinterher sollte das Gründach dann auch fertig oder zumindest fast fertig sein. Und ja, das ist ein schönes Erlebnis. Die Pflanzen brauchen dann noch ein bisschen, aber man sieht schon, aha, da ist ein Feld und da ist Erde drauf und da sieht man, wenn man genauer hinguckt, ein paar Samen und ein paar Sedumsprossen. Na ja,
mal gucken, was wird. Und dann, wenn man nach zwei Jahren wiederkommt, ist dann ein wunderschönes Grün da.
Simone: Ja, wenn du noch mal so weit in die Zukunft hineinträumst, hast du da eine Vision für die Begrünung von Gebäuden, von Siedlungen, von Städten?
Werner: Naja also ich denke mal die ganzen Bauregeln werden darauf hinauslaufen dass jeder Neubau auf jeden Fall ein Gründach haben muss und was wir vor 20 Jahren untersucht haben ist die Kombination von Solarzellen und Gründach und das ist da haben alle Leute gesagt um Gottes willen geht nicht und so, macht das ganze Gründach kaputt und was weiß ich. Und wir haben es aufgebaut, die Solarmodule sind etwa 50 Zentimeter oberhalb vom Gründach angebracht und was wir gemessen haben ist, dass durch die leichte Verschattung von den Solarmodulen entwickelt sich eine höhere Pflanzenvielfalt unten drunter. Das heißt man hat mehr verschiedene Pflanzen als in einem kahlen sonnenbestrahlten Gründach.
Und das zweite ist, durch die Verdunstung der Pflanzen wird das Solarmodul gekühlt und erzeugt mehr Energie. Wir haben gemessen etwa zwei Prozent mehr Energie und mittlerweile sind die großen Firmen, natürlich wieder die Industrie, die großen Firmen dazu übergegangen, solche Kombinationen von Gründach und Solaraufständerung direkt fertig anzubieten. Dass man halt diese Wannen dann nur noch befüllen muss mit Substrat und Pflanzen und oben auf die Aufständerung dann einfach nur noch die Solarmodule aufbauen und dann ist das Gründach fertig mit Solaranlagen. Da gibt es halt Firmen, die bauen sowas jetzt professionell. Aber wir haben es vor 20 Jahren entwickelt.
Simone: Wow. Ja, das klingt nach einer tollen Symbiose und super sinnvoll. Man fragt sich eigentlich, wenn es schon seit 20 Jahren im Orbit ist, warum ist das nicht auf jedem Dach zumindest von Neubauten realisiert worden?
Werner: Ja, so eine naheliegende Idee. Teerpappe ist billiger.
Simone: Okay, wo du sagst, Teerpappe ist billiger, da haben wir noch gar nicht drüber geredet. Wie ist es denn mit den Kosten von so einem Gründach überhaupt?
Werner: Naja, da muss man natürlich ein bisschen länger betrachten, über zehn Jahre oder noch länger. Die Anschaffungskosten, der Aufwand, ein Gründach zu bauen, ist ein bisschen höher. Ein Teerpappedach ist natürlich schnell gemacht, ist natürlich überhaupt nicht umweltfreundlich, ist ein Umweltgift und so weiter und ein Teerpappe-Dach, das muss man alle fünf Jahre mal streichen und alle zehn oder 15 Jahre muss das erneuert werden, weil die Teerpappe durch die Sonne spröde wird, reißt, undicht wird und so weiter. Und ein Gründach, wenn das einmal aufgebaut ist, das hält ewig. Also die Folienhersteller, die geben 50 Jahre Garantie.
Unsere Dächer sind jetzt schon 40 Jahre und wir haben da noch keine Probleme gehabt. Also das ist ein bisschen aufwendiger im Anfang, aber wenn man das über eine längere Zeit, über einen längeren Zeitraum sieht, dann ist das günstiger. Nur jetzt vom Material her, dann ist das Gründach etwas teurer am Anfang, Aber über die Zeit relativiert sich das. Und die ganzen Vorteile vom Gründach, die sind natürlich enorm. Ein Teerpappedach macht Hitze und ein Gründach kühlt. Und es ist noch eine schöne Aufenthaltsfläche. Man hat was gemacht für die Insekten. Und man hat was gemacht für die Vögel und so weiter. Stadtklima und so weiter. Das sind natürlich Wahnsinnsvorteile, die man für eine vernünftige Zukunft braucht. Da hast du uns sowieso jetzt schon von überzeugt. Jetzt sag noch mal was zu den Kosten, wenn ich es vergleiche mit einem Ziegeldach.
Das ist ja wahrscheinlich die gängigste. Der Vergleich zum Ziegeldach ist natürlich auch schön, weil ein Ziegeldach kann auch ein Gründach halten, wenn es nicht zu steil ist. Weil die Ziegel sind ja auch sehr schwer. Wenn man mal so ein Ziegel in der Hand hatte, das wiegt schon einiges. Das heißt also von der Statik her kann man, wo ein Ziegeldach ist, auch ein Gründach aufbauen. Die Kosten, Ziegel sind teurer als Teerpappe natürlich, da kommt man so etwa in die Größenordnung vom Gründach.
Was beim Gründach aber auch noch ein großer Vorteil ist, man kann sehr viel selber machen, was so bei einem Teerpappedach nicht unbedingt gegeben ist, oder beim Ziegeldach, da müssen schon Fachleute ran. Aber so ein Gründach, wenn man da eine gute Anleitung hat, eine gute Fachkraft hat, dann kann man das alles selber machen. Blähton schleppen und hier hinschütten, also das ist jetzt keine große Kunst. Und die Pflanzen setzen und so weiter, das kann so gut wie jeder.
Simone: Ja, ich danke dir für dieses Gespräch. Ich lade dich ein, wenn dich das jetzt interessiert hat, in den Show Notes zu gucken oder auch auf die Website von Sieben Linden zu gehen, www.siebenlinden.org. Im Juli und im August gibt es Möglichkeiten, mit Werner Gründach Seminare in Sieben Linden zu erleben. Vielleicht sehen wir uns dann. Vielen Dank.
Werner: Ja, danke auch.